Manager im Porträt

Dieter Zetsche – Benzin im Blut

von Christoph Masurek

Der Diplomingenieur gilt als einer der letzten großen CEOs aus der Automobilbranche. Sein Name reiht sich nahtlos neben denen der Manager-Giganten Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn ein. ZASTER kennt die Karriere des ehemaligen Daimler-Chefs mit dem markanten Schnauzer.

Die glorreichen Zeiten der Automobilhersteller sind vorbei: Dieselskandal, Verantwortung im Klimawandel und die elektronische Konkurrenz aus den USA. Einer der sowohl die Hochs und Tiefs in der Geschichte des Autos miterlebt hat, ist Dieter Zetsche. Seit 1976 war er für die Daimler AG tätig. Zu Beginn seiner Karriere im Forschungsbereich, zuletzt 13 Jahre lang an der Spitze des Konzerns.

Schnauzbart seit er denken kann

Dieter Zetsche wurde 1953 in Istanbul geboren. Seine erstes Lebensjahr verbrachte er in der Türkei, sein Vater war zu diesem Zeitpunkt als Ingenieur an einem Staudamm-Projekt in Anatolien beschäftigt. Im Anschluss wuchs er in Frankfurt-Niederursel auf, ehe er zum Studium der Elektrotechnik nach Karlsruhe an das Institut für Technologie aufbrach. Dort erfolgte der Abschluss zum Diplomingenieur und in Folge die Qualifikation für den Eintritt ins Daimler-Imperium. Sein ständiger Begleiter in der Zeit ist der Schnauzbart, den er nach eigenen Angaben trage, seit er denken könne. So auch auf seinem ersten Mitarbeiterfoto.

Noch als Student schreibt er ein Programm für den Konzern, mit denen die Fahrzeuge besser durch Kurven lenken können – in einer Zeit, in der elektronische Assistenzprogramme noch ein Fremdwort für Automobilisten war. Seine Karriere im Unternehmen ist zwar lang, verläuft aber dennoch rasend. Früh wird er Entwicklungschef, nach Stationen in Brasilien und Argentinien rettet er die Daimler-Tochter Chrysler und schafft es schließlich 2006 zum Vorstandsvorsitzenden.

4.250 Euro Rente am Tag

Die Zeit im Konzern verging schnell – vermutlich so schnell wie die langen Arbeitstage als CEO. In einem Gespräch mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung beschreibt Zetsche seinen Arbeitstag als fremdbestimmt, er komme ins Büro und frage: „Wie heiße ich, was habe ich zu tun?“. Drei Personen verwalteten seinen Kalender und teilten seine Zeit ein. Einmal im Jahr wurde in einem Tortendiagramm das Zeitmanagement visualisiert – Wo kann man einsparen? Welche Termine sind überflüssig? Schließlich ist Zeit kostbar.

Seine Bezüge variierten stark, letztlich ist man als Manager eines DAX-Konzerns stark von seinen Ergebnissen abhängig. Doch wirklich sorgen musste sich Zetsche nie – auch nicht im schwachen Jahr 2018. Nach dem Gewinneinbruch, verdiente er noch immer rund 5,9 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es zwar noch 8,6 Millionen Euro gewesen, doch egal wie extravagant sein Lebensstil zur aktiven Vorstandszeit gewesen sein mag, muss er sich im Ruhestand keine Sorgen mehr machen.

Nach Informationen der Bild am Sonntag erhält Zetsche ab 2020 ein jährliches Ruhegalt in Höhe von 1,05 Millionen Euro sowie einen Kapitalbetrag aus dem Altersvorsorgesystem des Unternehmens. Umgerechnet sind das 4.250 Euro am Tag. Damit löst er den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn an der Spitze der Betriebsrenten ab. Er erhält 3.100 Euro am Tag.

Ruppig, aber ehrlich

Wegbegleiter beschreiben den Manager als ruppigen, aber ehrlichen Kollegen – er sei eben Typ Ingenieur. Bei Werbeterminen und öffentlichen Auftritten wurde er auf Grund seines freundlichen Gesichts und dem markanten Schnauzbarts als sympathischer Zeitgenosse wahrgenommen, im Büro hingegen zählte für ihn die Arbeit. Daran habe er seine Kollegen gemessen. Gegenüber Managern und Betriebsräten konnte er unangenehm werden, gar laut. Mails beantwortete er manchmal grußlos. Ob das an der knappen Zeit oder der Unzufriedenheit lag, musste man sich selber denken.

Zu privaten Angelegenheiten hingegen schweigt der Vater von drei KindernNach 26 Jahren Ehe erlag seine Frau Gisela 2010 dem Krebsleiden. Zu dem Zeitpunkt war er bereits an der Spitze des Unternehmens und kämpft darum, dass sich die Medien aus seinem Privatleben zurückhalten. Vor der Beerdigung soll er Zeitungen kontaktiert und um Rücksicht gebeten haben. Auch seine Kinder hat er stets aus dem Rampenlicht ferngehalten – es gibt so gut wie keine privaten Familienfotos in der Öffentlichkeit.

Im Jahr 2013 berichteten die Illustrierten über eine Beziehung mit der Moderatorin und Schauspielerin Désirée Nosbusch, die auch später im Fernsehen eine Beziehung zum Daimler-Manager einräumte. Nur wenige Wochen später dementiert sie jedoch öffentlich eine Liebesgeschichte: „Wir sind kein Paar, wir waren kein Paar“. Zetsche äußerte sich nicht zu den Gerüchten rund um diese vermeintliche Beziehung. Im Oktober 2016 heiratete er die Französin Anne am Tegernsee nach rund anderthalb Jahren Beziehung.

Unmittelbar nach seinem Ende bei Daimler hat der promovierte Ingenieur im Mai einen Aufsichtsratsposten bei Tui angenommen. Nach der intensiven Zeit als Manager scheint es schwer, von der Arbeit loszulassen. Auch sozial ist Zetsche engagiert, hat politisch Stellung bezogen und verschiedene Stiftungen wie beispielsweise das Deutsch-Türkische Forum in Stuttgart unterstützt. Zuletzt wurde bekannt, dass Zetsche Mitglied des Beirates bei Aldi-Süd wird. Beim Lebensmitteldiscounter übernimmt er eine beratende Funktion.

Diesel-Erbe?

Zetsche hat Daimler zurück zu seinem Ursprung verholfen: dem Bau moderner Fahrzeuge. Im Unternehmen hinterlässt er eine neue Kultur, sie ist lockerer und weniger hierarchisch als zuvor. Nicht mehr Seilschaften oder allein das Alter sind für Beförderungen verantwortlich, sondern die Leistungen. So wurde unter Zetsche beispielsweise Gordon Wagener mit unter 40 Jahren zum Chefdesigner des Konzerns – weil seine Arbeit stimmte.

Er lenkte Daimler sicher durch die Finanzkrise und manövrierte den Konzern sicher durch Talfahrten – zumindest fast. Denn obwohl Zetsche im September 2015 beteuerte, dass es bei Daimler keine Manipulationen an Diesel-Fahrzeugen gegeben hätte, rief das Kraftfahrt-Bundesamt vergangenes Jahr mehr als 700.000 Mercedes-Fahrzeuge zurück. Die Schwaben haben gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt. Der Rechtsstreit wird vermutlich Jahre dauern und erst dann kann eine endgültige Bilanz zu Zetsches Leistungen gezogen werden.

Im Mai 2019 beendete er seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender und überließ dem Schweden Ola Källenius das Steuer. Dieser gilt als Zetsches Ziehsohn; seine Ziele sind nicht weniger ambitioniert als die seines Vorgängers: bis 2040 soll das Unternehmen CO2-frei werden. Ein grüneres Image kann der Automobilhersteller in Zeiten der Klimakrise in jedem Fall gebrauchen…

ein Artikel von
Christoph Masurek
Christoph studiert Politikwissenschaften in Wien und sucht noch immer vergeblich nach der Geschäftsidee, die sein Leben sowohl erleichtert als auch bereichert.