Millennials

Die Zukunft gehört uns allen

von Nikolina Krstinic

Millennials wurden lange als nichtsnutzige, arbeitsfaule Generation dargestellt. Unsere Autorin gehört ihrem Alter nach selbst dieser Generation an – und hat sich dazu Gedanken gemacht.

Millennials haben es nicht leicht

Der Name allein klingt wie der einer schlechten Pop-Band, The Millennials, aber anders als im Pop sind echte Inhalte im Leben der „Generation Y“ oft eher Nebensache. Millennials werden von einer öffentlich tolerierten, weil kollektiven „Meinung“ bevormundet, sie sind Opfer jenes Zeitalters der Digitalisierung, das sie hervorgebracht hat. Vom einst so ausgeprägten Individualismus ihrer Eltern verstehen sie wenig, ihre Welt ist uniform bis in die weitesten Sphären der Intimität. Das fängt bei der narzisstischen Selbstinszenierung auf Social Media Plattformen wie Snapchat an und mündet in abstruse Instagram-Channels und Nonsens-Blogs. So können wir beispielsweise beim so genannten „Mok-Bang“ (Kunstwort aus mokda für „essen“ und bangsong für „senden“), dem Internet-Video-Hit aus Südkorea, 18- bis 30-Jährigen dabei zusehen wie sie unglaubliche Mengen von Essen in sich schaufeln, und damit richtig Kohle machen. Oder eben ganz anders: junge Frauen und Männer als sportliche Inspirationsquelle nutzen, die uns jeden Tag zeigen, wie man noch schlanker, noch schöner, noch gesünder wird, und dabei langsam, ganz langsam immer mehr von sich selbst aufgibt.

Gleich vorweg: Ich bin nicht hier, um jemanden zu diffamieren, das gibt mir nichts – vielmehr möchte ich etwas klarstellen: Die sukzessive Verdummung meiner Generation findet womöglich nicht erst jetzt statt, aber vielleicht sehen wir alle erst jetzt dabei zu. Danke, World Wide Web. Danke Evan Spiegel, Kevin Systrom und Mike Krieger. Ihr habt der Gesellschaft den letzten Funken Schamgefühl und Privatsphäre genommen.

But Y tho?

Die „Generation Y“ ist ein Begriff aus der Soziologie, und diese besteht weitestgehend aus Verallgemeinerungen, nicht aus Individualisierungen, also: Nicht alle Millennials sind gleich. Nur charakterisiert werden sie immer gleich: Sie sind desinteressiert oder faul, und wenn sie zu hyperaktiv oder aufgeweckt sind, werden ihnen Pillen gegen Konzentrationsdefizite und Lernschwächen verschrieben, um ein Maximum an Leistung auszuschöpfen. Und während die innerliche Läuterung voll im Gange ist, werden sie für die äußerliche Selbstoptimierung verhöhnt, als Narzissten beschimpft und belächelt. Glauben Sie denn, die stehen wirklich den ganzen Tag lang nur vor dem Spiegel, schminken Make-up-Tutorials nach und würgen Grünkohl-Smoothies runter? Da liegen Sie ganz weit daneben.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Im vergangenen Jahr waren rund 28 Prozent der Millennials im Alter von 18 bis 25 Jahren voll berufstätig im fremden Betrieb, Selbstständige ausgenommen. Tatsächlich sollen Millennials sogar genauso viel arbeiten wie vorherige Generationen, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in einem Artikel aus dem Frühjahr 2018. Ja, diese faulen, undankbaren Kids sind die Führungskräfte von morgen. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt: Auch wenn die Fassade anmuten lässt, die Jungen von heute hätten es so viel leichter, als die Jungen von damals, hat der demografische und strukturelle Wandel in der Gesellschaft erheblich dazu beigetragen, dass Arbeitskräfte weltweit härter, länger und schlicht mehr arbeiten müssen, als früher. Denn seien wir mal ehrlich: „Nine to five“ ist eine nette Idee, entspricht aber längst nicht mehr der Lebensrealität vieler Berufsfelder.

Apropos Lebensrealität: Die Gender-Pay-Gap etwa verdeutlicht, dass Frauen mit denselben akademischen oder handwerklichen Voraussetzungen wie ihre männlichen Kollegen auch heute noch am Arbeitsmarkt wesentlich schlechter gestellt sind. In Deutschland kommen sie im Durchschnitt auf einen um 21 Prozent geringeren Bruttolohn als ihre männlichen Kollegen. Frauen haben sich in sozialer, kultureller, intellektueller, sexueller und auch ökonomischer Hinsicht deutlich emanzipiert. Die Millenial-Frauen von heute sind weit besser ausgebildet als viele ihrer älteren Kritikerinnen es noch vor einigen Jahrzehnten waren. Der Motor der Motivation dieser Millennial-Frauen heißt vielleicht nicht „Sparbuch“ oder „glückliche Rente“, wohl aber Bildung und finanzielle Unabhängigkeit.

„The Future is Female“ ist weit mehr als nur ein bei Millennials beliebtes feministisches Statement auf T-Shirts. Und es ist nicht neu: Zum ersten Mal tauchte der Spruch in den 70er Jahren auf und bewarb die erste New Yorker Buchhandlung für Frauen. Das US-amerikanische Forbes Magazine schreibt im August 2018, dass Millennial-Frauen unabhängiger seien als je eine Generation zuvor. Möglich, dass sie das aus rein finanzieller Sicht tatsächlich sind. Nur eben nicht aus allen anderen. Alles ist ein Vergleich, überall, unaufhörlich. Man definiert sich über Ernährungstrends, wobei gilt, je extremer, desto besser; man filmt und fotografiert selbst die belanglosesten Vorkommnisse, man stumpft mit jedem Tag ein Stück weiter ab. Millennials werden nicht umsonst oft als „Generation Snowflake“ (Generation Schneeflocke) bezeichnet: Zwar sind sie angriffslustiger, wilder, schriller, aber eben auch verletzlicher, introvertierter und ja, auf die eine oder andere Art, bei Aufbringung aller Stärke, auch irgendwie schwächer.

Doch sie haben nicht nur Flausen im Kopf, leben nicht alle in einer Social-Media-Scheinwelt und leiden häufig unter den Urteilen älterer Generationen. Ich zum Beispiel starre lieber stundenlang die Wand als irgend einen flirrenden Bildschirm an, und die besseren Unterhaltungen finden oft in meinem Kopf statt. Ich habe keinen Fernseher und sehr gerne meine Ruhe. Ich lese täglich und niemals auf dem Kindle. Und mein Geld verdiene ich, na ja, Sie wissen schon, mit semi-schönen Texten wie diesem hier. Auf uns Millennials!

ein Artikel von
Nikolina Krstinic
Nikolina Krstinic studierte in Wien und Berlin Kulturwissenschaften, Journalismus und Unternehmenskommunikation. Sie ist als freie Autorin und Journalistin tätig - seit Februar 2018 auch für Zaster.