Wie glücklich macht Geld?

Der Ein-Euro-Aufkleber, der mir eine wertvolle Erinnerung zurückbrachte

von Sonja Baer

Beim Stöbern auf Ebay entdeckt unser Autor Frank Behrendt einen Aufkleber, den sein Vater vor Jahrzehnten für das Stadtmarketing seines Heimatorts entworfen hat. Das erinnert ihn an seine Kindheit am Meer.

Destination Rio de Janeiro, Brasilien stand im Frühjahr 1972 auf einer Postkarte, die der Bruder meines Vaters von der Nordseeküste aus abschickte. Damals planten meine Eltern nach aufregenden Jahren in der Millionenmetropole unter dem Zuckerhut die Rückkehr unserer Familie in die Heimat. Wir Kinder sollten mit viel Freiheit und guter Luft aufwachsen.

Mein Vater bewarb sich an verschiedenen Schulen, sein jüngerer Bruder nahm die infrage kommenden Städte in Deutschland kritisch unter die Lupe. Als er das beschauliche Städtchen Otterndorf am Weltschifffahrtsweg aus diesem Anlass besuchte, war mein Onkel sofort Feuer und Flamme und schrieb auf die Rückseite der Postkarte: „Hier werdet ihr euch wohlfühlen. Hier können die Kinder Freiheit und Abenteuer erleben.“ Überzeugt.

Wir zogen dorthin und haben es nie bereut. Da mein Vater stets ein Freund davon war, die Welt ein wenig bunter zu machen, zierten bald die schönsten Arbeiten seiner Kunstklassen das örtliche Krankenhaus. Um die Vorzüge unserer neuen Wahlheimat zu preisen, entwarf mein Vater einen attraktiven Autoaufkleber, den das Stadtmarketing damals dankend annahm und produzierte. Die größere Nachbarstadt Cuxhaven nutzte als Maskottchen „Jan Cux“, einen kleinen blauen Matrosen. Mein Dad zeichnete einen urigen Seebären: „Hein Ott.“ Zufällig entdeckte ich kürzlich genau diesen mittlerweile 50 Jahre alten Sticker auf Ebay und habe ihn direkt erstanden.

Es war, als begegnete mir mein Papa im Netz höchstpersönlich. Er selbst trug auch so eine „Prinz-Heinrich-Mütze“ wie der Seebär auf dem Sticker und am Kamin rauchte er oft eine Pfeife. Mit seinem Fahrrad fuhr er zum Deich, setzte sich auf eine Bank und blickte einfach aufs Meer. Schweigend, dankbar. Als ich einmal mitfuhr und ihn nach langen Minuten fragte, warum er so gern aufs Wasser blickte, nahm mich mein Vater in den Arm und zitierte Thomas Mann: „Das Meer ist keine Landschaft, es ist das Erlebnis der Ewigkeit.“ Ich selbst fahre mit meiner Familie heute auch am allerliebsten ans Meer, es macht uns immer glücklich.

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Sonja Baer