DAS HÄTTE ES FRÜHER NICHT GEGEBEN

Champagner? Ich glaube, es hackt bei Ihnen, Fräulein!

von Emina Benalia

Wie sollte ich meinen Eltern erklären, dass ich nicht nur sehr viel Geld für Crémant ausgebe, sondern noch mehr für Drinks mit komplizierten Namen?

Es gibt zwei Möglichkeiten, ein 3-Gänge-Menü zu genießen: man geht in ein Restaurant. Oder man geht in eine Bar. Denn die Drinks in den angeberischen Bars, die ich heimlich ein bisschen mag, brauchen fast so lange, bis sie fertig sind, wie ein gutes Menü. Und sie schmecken auch nicht nach „Alkohol und Limo“, sondern nach Kräutern, Gewürzen, Alkohol, Früchten, Fässern, Rauch, Liebe. Sie schmecken nach so viel, dass das Trinken sich wie ein Essen anfühlt, dessen einzelne Komponenten so sehr zusammenspielen, dass man ein bisschen weinen möchte vor Entzücken. Und natürlich kosten sie auch genau so viel.

Als ich vor ein paar Jahren an Weihnachten vorschlug, dass wir ja eine gute Flasche Crémant an Heiligabend trinken könnten, sagte mein Vater: Was willst du trinken?

Ich: Crémant, das ist quasi wie Champagner, nur eben nicht aus der Champagne.

Papa: Du willst Champagner trinken?

Ich: Ja.

Papa: Ich trinke diese Puffbrause nicht.

Ich: Das ist ein diskriminierender Begriff.

Papa: Ein was?

Ich: Wir könnten auch den billigen Champagner nehmen, der kostet nur…

Papa: Es gibt Likör und Bier, wie jedes Jahr. Du kannst eine Flasche Wein mitnehmen, aber Champagner? Ich glaube, es hackt bei Ihnen, Fräulein.

Wie sollte ich meinen Eltern erklären, dass ich nicht nur sehr viel Geld für Crémant ausgebe, sondern noch mehr für Drinks mit komplizierten Namen?

Dabei verhält es sich doch mit teurem Alkohol ebenso wie mit teurem Essen: Man genießt ihn viel mehr, man trinkt nicht fünf Cola-Korn, sondern zwei aufwendige Getränke und danach noch einen Wein vielleicht. Das Trinken, es ist nicht mehr das Mittel der Wahl, um irgendwann genug angesoffen zu sein, um sich paaren zu wollen oder alles zu vergessen oder endlich mal heulend und mit dem Kopf auf der Theke liegend zu erzählen, was für ein verdammter Wichser dieser scheiß Chef doch ist. Das Trinken ist vielmehr endlich sich selbst Zweck genug, denn man stürzt so ein kompliziertes Getränk nicht hinunter, man tut so, als würde man wissen, was man hier trinkt und lässt sich gegenseitig probieren und sagt: Spürst du diesen Hauch Minze auf der Zunge? Unglaublich, oder? Oder?

Für meine Eltern war das Trinken seit jeher etwas, das Bier und Korn bedeutet hat und an wichtigen Tagen gab es selbst gemachten Likör, Prost. Es diente dem Zusammensein, dem Betrunkensein, dem Feierabend. Wichtig war nur die Biermarke, der Rest völlig egal. So trank ich Mal um Mal an Geburtstagen ekelhaft süßen Likör und ausnahmsweise auch mal einen Korn, der sich gar nicht wie Minze und dafür sehr viel wie Desinfektionsalkohol beim Arzt anfühlte im Hals.

Und eines Nachts, in einer dieser teuren Bars, begriff ich, dass wir eigentlich exakt das gleiche taten – wir tranken in Gesellschaft und wir wählten die Getränke dieser Gesellschaft entsprechend. Meine Freunde tranken alle gerne Crémant. Wir liebten alle gute Drinks. Wir tranken zusammen, was zusammengehörte.

Als mir genau das klar wurde, verstand ich, dass es vermessen gewesen war, meine Eltern davon überzeugen zu wollen, dass wir nun beginnen sollten, Crémant zu trinken oder billigen Champagner. Denn am Ende geht es nicht um das Getränk, sondern um den Abend, den wir als Familie verbringen. Und das geht, ich schwöre, auch mit Korn und Krombacher ziemlich gut.

ein Artikel von
Emina Benalia
"Wenn ich einmal reich wär", sang einst Anatevka in dem gleichnamigen Musical. Als Kind einer Musikwissenschaftlerin kannte Emina Benalia das Lied aus ihren Kindertagen. Viel mehr Wissen wurde ihr über Finanzen, Versicherungen und Geldanlagen zu Hause nicht vermittelt. Umso wichtiger ist es für sie, als ZASTER-Redakteurin diese Themen aufzuarbeiten und ihren Lesern verständlich zu vermittelt – sexy, fluffig, interessant, leidenschaftlich und informativ.