Du hast Politik studiert, als Tech-Journalist gearbeitet und bist für verschiedene Tech Start-ups beratend tätig. Was hat dich an Bitcoin angesprochen?
Zuallererst spricht mich an, dass es kein gewöhnliches Tech Start-up ist. Es hat keinen einflussreichen Gründer, der allein über den Werdegang entscheiden kann. Es entstand aus einem neunseitigen PDF von einer oder mehreren unbekannten Personen, die unter dem Namen „Satoshi Nakamoto“ Bekanntheit fanden. Es ist also wirklich frei.
Wie und wann fing deine persönliche „Bitcoin-Journey“ an?
2013 hatte ich schon mal davon gehört, aber eher in Verbindung mit Silk Road. Als es dann hieß, Silk Road wäre gescheitert, dachte ich, wie wahrscheinlich viele andere, das war es jetzt mit Bitcoin. Für mich war damals der einzige Einsatzzweck für BTC, dass du im Internet Drogen kaufen kannst. 2015 habe ich dann von einem Freund erfahren, dass er jetzt BTC auf seinem PC mined und ich habe mir nur gedacht, das ist das Blödeste, was ich je gehört habe. 2017 ging es dann bei mir richtig los, als dieser Hype um Bitcoin entstand. Da habe ich mir gedacht, krass, das gibt es immer noch und warum gibt es das überhaupt noch? So habe ich dann angefangen verschiedene Bücher darüber zu lesen, beispielsweise „Digital Gold“ von Nathaniel Poper. Da geht es um die frühen Tage von Bitcoin und die Vorgeschichte.
Was ist der Unterschied zwischen Bitcoin und Altcoins?
Darüber gibt es immer Diskussionen und unterschiedliche Lager – wie beispielsweise Bitcoiner und Ethereum Fans. Meiner Meinung nach ist BTC sehr speziell, weil es die erste Kryptowährung ist. Sie hat intern sowie extern Resilienz bewiesen. 2017 hieß es, Bitcoin spaltet sich jetzt in Bitcoin und Bitcoin Cash. Bei den Debatten in 2017 hat man gesehen, dass nicht die Bitcoinindustrie wie zum Beispiel BTC Miner oder Kryptobörsen wie Coinbase gewonnen haben, sondern die User, die Nodes betreiben. Das ist der größte Unterschied zu anderen Projekten wie zum Beispiel Ethereum, die zwar spannend sind, aber von Gründern geführt werden, die ständig Veränderungen herbeiführen können.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Switch von Proof of Work zu Proof of Stake. Die Leben nach dem Sillicon Valley Motto, „Move fast break things“ und Bitcoin ist da komplett anders. Um seinen Zweck zu erfüllen, ist es absichtlich langsamer und resilienter. Bitcoin hat auch seine Schwächen, aber es ist ein zwölf Jahre altes Projekt, dass dezentral weiterentwickelt wird. Bei FTX hat man gesehen, dass aus dem Nichts eine eigene Kryptowährung erschaffen wurde, wie so oft bei Altcoins. Menschen investieren in Start-ups, die wieder aus dem nichts Kryptowährungen erschaffen und dann gibt es diese Tausenden Token, die eigentlich einen Wert von null haben. Ein weiterer Unterschied ist, dass Bitcoin quasi kein Versprechen hat. Bitcoin verspricht dir keine Dividenden, hat kein Marketingbudget oder eine Roadmap wie die meisten Altcoins.
Wie glaubst du werden sich Regulierungen bezüglich Altcoins und Bitcoin entwickeln? Wird es einen Unterschied geben?
In den USA beispielsweise wird Bitcoin wird als digitaler Rohstoff betrachtet und Altcoins als unregistrierte Wertpapiere. In Europa gibt es das MiCA Framework, welches zeigt, dass es ernst genommen wird und nur noch wenige mit dem Verschwinden von Bitcoin rechnen. Es ist ein bisschen so wie in den früheren Internettagen, wo Leute gesagt haben, dass in zehn Jahren wieder gefaxt wird.
Was hältst du von Michael Saylor und Microstrategy, die ihre Rücklagen in BTC halten?
Bitcoin braucht eigentlich keine Gallionsfigur, keine Person, die sagt: „Bitcoin ist the future“. Es gibt Videos, in denen Michael Saylor sagt: „Wenn du ein Haus hast, verkauf das Haus, wenn du ein Auto hast, verkauf dein Auto und kauf nur Bitcoin.“ Das mag aus seiner Sicht vielleicht Sinn ergeben, da er mit seiner Firma mehr oder minder den BTC Kurs abbildet, aber ich würde mich da als Investor nicht zu sehr von leiten lassen. Was man ihm aber schon zusprechen muss, ist, dass er das Modell eingeführt hat, als großes Unternehmen BTC auf sein Balancesheet zu nehmen. Tesla folgte daraufhin.
Es heißt, dein Buch ist kritisch und zuversichtlich zugleich. Ich habe gelesen, dass du erreichen wolltest, dass Bitcoin- Maximalisten das Buch zu kritisch- und Bitcoin Gegner das Buch zu unkritisch einschätzen. Warum gerade diese Intention?
Das Buch gibt eigentlich einen Einblick in die Szene. Ich bin auf Twitter aktiv, und auf der einen Seite sehe ich Bitcoiner, die jeden Tag Dinge wie: „Bitcoin is a digital organism and will revolutionise everything“ tweeten und auf der anderen Seite stehen mittlerweile schon Influencer, die sich nur damit beschäftigen, wie schlecht Bitcoin ist und wie groß der Stromverbrauch ist. Es geht sogar so weit, dass die Anti-Bitcoin-Influencer veranschaulichen, wie die Welt ihrer Meinung nach aussehen würde, wenn Bitcoin „gewinnen“ sollte. Sie stellen diese Aussicht als eine neoviktorianische Hölle da, in der Feudal Lords das Sagen haben und es dann nur noch darum geht, wer wie viele BTC hat. Diese Ambivalenz zwischen den Extremen wollte ich aufzeigen. Dazwischen gibt es fast keine Perspektive. Ich bin zwar ein Fan von Bitcoin, aber ich finde nicht, dass wir deswegen direkt den Euro beziehungsweise das Finanzsystem abschaffen müssen. Da sollte es Zwischentöne geben.
Wie siehst du die viel diskutierte Energiethematik?
Es ist ein superkompliziertes Thema und wenn man sich die seriösen Quellen anguckt, beispielsweise Cambridge Center of Alternative Finance, dann kann man die Berichterstattung gut einordnen. Der Stromverbrauch des Bitcoinnetzwerks ist immer eine Momentaufnahme und da gibt es immer superbreite Schätzungen, wie viel Strom verbraucht wird. Wenn sich kritische Journalisten mit dem Thema auseinandersetzen, dann werden da immer die oberen Werte genommen und wenn sich Bitcoin Befürworter damit auseinandersetzen, werden immer die untersten Werte genutzt. Beides bildet die Realität nicht ab. Bitcoin Maximalisten sagen, dass Bitcoin alles revolutioniert, und die Kraftwerke anfangen BTC Mining zu installieren und Miner hauptsächlich erneuerbare Energie nutzen. Das stimmt zwar, aber trotzdem ist die Realität, dass Miner gegenwärtig und zukünftig dahingehen werden, wo sie sie den billigsten Strom bekommen. Als das Mining in China beispielsweise offiziell verboten wurde, sind die Miner über Nacht nach Kasachstan gegangen, um dort den Strom zu kaufen. Da ist es ihnen auch egal, ob das ein Kohlekraftwerk oder ein Wasserkraftwerk ist.
Was hältst du vom digitalen Euro? 2026 soll er vorrausichtlich rauskommen.
Ich glaube, dass es weniger tragisch wird als viele glauben. Viele Bitcoin Maximalisten sagen, dass es dann durch totale Transparenz die totale Überwachung geben wird. Rein technisch ist das auch möglich, wie man anhand von China sieht. Da wird der digitale Yuan genutzt, um die Bevölkerung noch mehr zu drangsalieren und noch genauer zu überwachen. Darüber muss man sich bewusst sein, wenn man solche Dinge entwickelt. Die Europäische Zentralbank ist da aber supertransparent und veröffentlicht immer wieder Paper, in dem sie beispielsweise schreiben, dass es gewisse Anonymitätsfeatures geben muss. Meines Erachtens wird es sich wahrscheinlich in der Mitte bewegen, zwischen diesen berechtigten Überwachungsängsten und dem entwickelten Bekannten, dem gegenwärtigen Euro. Ich denke aber auch, dass Zentralbanken und andere Anhänger des gegenwärtigen Systems, die meinen, sie müssten jetzt mal ins Internet gehen und irgendwas Digitales machen, stellen es sich einfacher vor, als es in Wirklichkeit ist. Ob es deshalb wirklich 2026 wird, bleibt abzuwarten.
Hast du „nur“ in BTC investiert oder auch in Altcoins? Falls ja, wie ist dein Anlegeverhältnis?
Ich hatte früher mehr Altcoins, weil ich auch aus der Richtung komme und sie mich anfänglich mehr interessiert haben. Das hat sich dann aber graduell immer weiter auf BTC zubewegt. Gegenwärtig habe ich 90% BTC und 10% Altcoins wie z.B Ethereum. Meiner Meinung nach ist BTC das Spannendste und die anderen eigentlich mehr eine Wette.
Bitcoin hat viele Leute verändert und hatte einen Einfluss darauf, wie sie ihre Zeit nutzen, ihre Ausgaben tätigen und was für ein Mindset sie haben. Wie war das bei dir?
Auf mein Mindset hatte es einen riesigen Einfluss. Wenn man sich Bitcoin anguckt, beschäftigt man sich automatisch auch irgendwann mit dem Thema Sparen. Sparen gibt es ja gewissermaßen gar nicht mehr. In dem Nullzinsumfeld wurde man gezwungen, zu investieren. Durch Bitcoin beschäftigt man sich dann eben mit Inflation und Geldentwertung. Man denkt darüber nach, was eigentlich mit seinem Geld passiert, wenn es auf dem Sparkonto liegt. Bitcoin war für mich und viele andere ein Einstieg in das eigentliche Finanzthema. Man fängt dadurch an, sich mit Aktien, ETFs und mit Gold zu beschäftigen. Bitcoin wird ja als „digitales Gold“ bezeichnet und deswegen fing ich irgendwann an, mich mit dem Gedanken, was eigentlich Gold ist, zu beschäftigen.
Was hältst du von El Salvadors Entscheidung Bitcoin 2021 als Reserve Asset zu nutzen?
Für El Salvador macht das sicher Sinn, weil sie eigentlich nichts zu verlieren haben. Sie haben keine eigene Währung und viele Auslandsüberweisungen, wo Firmen wie Western Union absurde Gebühren kassierten. Nayib Bukele hat Bitcoin stark für sich als PR-Aktion genutzt und ist zu dem Thema auch auf Twitter sehr aktiv. Das widerspricht aber eigentlich dem ursprünglichen Ansatz von Bitcoin, dass sich als Graswurzelbewegung und als besseres Geld sieht. Ich fände es besser, wenn sich die Bitcoin Community eher auf Länder und Fälle konzentrieren würde, wo sich Bitcoin von den Menschen heraus durchsetzt. Nigeria ist da ein gutes Beispiel. Dort gibt es superviele Use Cases und es geht von der jungen Bevölkerung aus. Sie haben Misstrauen in ihre schwache Währung und die Regierung. Das sollte der natürliche Werdegang sein und nicht die Etablierung von oben nach unten.
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