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ARBEITSMARKT

Steigender Fachkräftemangel: Das gilt es zu tun

von Pauline Brinkmann

Bereits heute fehlt es in Deutschland an Millionen von Arbeitskräften. Eine baldige Lösung des Problems ist nicht in Sicht. Vielmehr scheint die Beschäftigungslücke immer weiter auseinanderzuklaffen.

Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sagte jüngst gegenüber dem Business Insider: „Die Zahl der heute 15- bis 24-Jährigen ist um rund 500.000 kleiner als die Zahl der 55- bis 64-Jährigen“. Die Erfahrung der Vergangenheit zeige, dass nur etwa 75 bis 80 Prozent eines Jahrgangs tatsächlich auf den Arbeitsmarkt kommen würden. Angesicht dieser demografischen Entwicklung ist mit einem steigenden Fachkräftemangel von bis zu zwei Millionen (!!) und mit einem Schrumpfen der Erwerbspersonen um etwa ein Drittel bis zum Jahre 2060 zu rechnen, so Stettes.

Die meisten Menschen in Deutschland, so stellte es das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung kürzlich vor, wünschen sich eine Schließung der Beschäftigungslücke durch eine gezielte Aus- und Weiterbildung von Arbeitslosen in den betroffenen Bereichen.

Ein Anwerben von Fachkräften über Zuwanderung lehnt die Mehrheit allerdings ab, hierfür sprechen sich nur 12 Prozent der Befragten aus. Auch eine längere Arbeitszeit, sowohl die Wochenarbeitsstunden betreffend, als auch auf die Lebenszeit bezogen, wünschen sich die Wenigsten der Befragten.

Experten zufolge brauche man, um den derzeitigen Wohlstand zu halten, jährlich eine Zuwanderung von 400.000 bis 500.000 Menschen, anders lasse sich das Problem nicht lösen.

Feststeht: Der Fachkräftemangel trifft uns über kurz oder lang alle, ob nun Unternehmer oder einfach nur Verbraucher. Denn in letzter Konsequenz spiegelt sich das Problem natürlich in weiter steigenden Preisen.

Auch Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) und Professor für Volkswirtschaft an der Berliner Humboldt-Universität hatte bei seinem Gespräch mit dem Business Insider schlechte Prognosen im Gepäck. So soll seiner Analyse zufolge das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland von 2020 bis 2060 von 47,4 Millionen auf 31,3 Millionen Menschen sinken, also ebenso um etwa ein Drittel.

Stettes und Brücker sind sich einig darüber, dass mit ihren Einstellungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels die meisten Deutschen aufzeigen würden, dass sie die Tragweite des Problems für den Wohlstand des Landes unterschätzen. Ebenso wäre die Möglichkeit, die Lücke aus dem Topf der Arbeitslosen zu schließen, unrealistisch. Selbst wenn alle Arbeitslosen plötzlich in Beschäftigung kämen, würde das nicht reichen, so die beiden Experten.

Brücker mahnt: Ohne Zuwanderung geht es nicht. Dann wäre die zwingende Konsequenz eine Verlängerung der Arbeitszeit und auch diese wäre unzureichend. Die beiden Experten sind sich zwar einig darüber, dass es allein schon aus sozialer Sicht wichtig sei Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dennoch wird ihren Berechnungen zufolge damit das Problem nicht im Ansatz zu Genüge bekämpft.

Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass sich Arbeitslose nicht einfach so wieder in ein Beschäftigungsverhältnis bringen lassen. Eine Erwerbsuntätigkeit korreliere nämlich häufig mit physische und psychischen Problemen. Beim Thema Zuwanderung ist es laut Brücker besonders wichtig, eine einfachere Anerkennung beruflicher Abschlüsse aus dem Ausland zu gewährleisten. 

Ein gutes Vorbild sieht er hier zum Beispiel in der West-Balkan-Regelung, mit welcher jene Menschen aus den Ländern im West-Balkan einen besser Arbeitsmarktzugang in Deutschland erhalten.

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.