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Euro, Dollar, Schilling

Anamnese, Diagnose, Therapie

von Volker Schilling

ZASTER-Kolumnist Volker Schilling analysiert auch in dieser Woche wieder das Geschehen auf den Finanzmärkten.

Anamnese

Kommt der Kapitalmarkt zum Arzt und sagt: „Irgendwie fühle ich mich schwankend.“ Besser kann man diese Woche an den Börsen kaum diagnostizieren. Nach dem Aderlass der letzten Woche folgte die Rekonvaleszenz. Dabei haben vor allem Pharmawerte für Aufsehen gesorgt. Der Aktienkurs von Bayer zeigt Leben. Nach der Operation am offenen Herzen mit Monsanto und einem Schlaganfall durch amerikanische Gerichte, sorgte ausgerechnet eine erfolgreiche Phase-3-Studie des Schlaganfall-Medikaments Asundexian für einen freudigen Kurssprung diese Woche. Nach Monaten der Reha gab es nun ein Trostpflaster für die leidgeprüften Aktionäre. Oder sollte man besser sagen, der Patient hat einen erfolgreichen Defibrillator-Moment?

Ganz anders beim Healthcare-Wert Novo Nordisk. Der Kurs liegt auf der Quarantänestation und sackt weiter ab. Wer hätte gedacht, dass der Abnehmspritzenspezialist so viel an eigenem Kursgewicht verlieren kann. Die bittere Pille diese Woche für Novo Nordisk: Die Phase-3-Studie zum möglichen Alzheimerkandidaten scheiterte kläglich. Die Anleger erlebten eine klassische Nahtoderfahrung der Erwartungen inklusive eines depressiven Tiefpunktes. Und dann wäre da noch Valneva, dieser hartnäckige Dauerpatient der Entwicklungsforschung. Der Abschluss der Phase-2-Studie und der Start der Phase 3 für den Borrelioseimpfstoff, flankiert von Pfizer als Kooperationspartner, weckt die Hoffnung auf einen echten Blockbuster. Ein Mittel, das einen globalen Markt adressiert und eine gewaltige Kurschance bietet.

Diagnose

Nun wird es heikel, denn der zweite Teil meiner Sprechstunde steht an. Hier wird auf den Zahn gefühlt und auf Herz und Nieren geprüft. Die heftigste Krankenakte zeigte diese Woche das Versorgungswerk der Berliner Zahnärzte. Ausgerechnet die Berufsgruppe, die sonst bohrt, schleift und aufpoliert, muss nun an der eigenen Vorsorge eine unangenehme Wurzelbehandlung über sich ergehen lassen. Enorme Verluste, katastrophale Anlageentscheidungen, verzockte Reserven. Die Zahnärzte spucken Gift und Galle. Die Altersvorsorge vieler Ärzte geschröpft. Operation gelungen, Patient arm. Das ist kein finanzielles Kariesproblem, das ist eine ausgewachsene Parodontose mit Zahnverlust. Parallel dazu stellte der Chefarzt der USA diese Woche seinen 28-Punkte-Therapieplan für die Ukraine vor. Eine Mischung aus Amnesieinitiative, Amputationsvorschlag und Apotheken Umschau.

Die leitenden Ärzte Europas und der Stationsarzt der Ukraine zeigen sich irritiert, denn einige Punkte wirken wie eine Patientenverfügung, die jemand anderes unterschrieben hat. Dass von territorialen Amputationen die Rede ist, lässt die Diagnose gefährlich in Richtung eines langanhaltenden Wundbrandes kippen. Man fragt sich, ob die offene Wunde des Krieges so überhaupt behandelt werden kann, oder ob hier nur kosmetische Chirurgie betrieben wird, quasi eine Spezialoperation? In beiden Fällen zeigt die Diagnose, dass es zu dauerhaft chronischen Schmerzen kommen kann, wenn man die Wunden jetzt nicht richtig behandelt.

Therapie

Kommen wir zum Rezept, damit sich mein Wartezimmer nicht noch mehr füllt. Im Kern ist Novo Nordisk gesund. Mit Wundversorgung und Geduld findet der geneigte Investor auf dem aktuellen Level ein stabiles Niveau mit starker Genesungstendenz. Bei Bayer wirken die Schmerzmittel und Entzündungshemmer. Mit dem Abgang von der Beobachtungsstation ist eine weitere Erholung möglich. Bei Valneva sollte man nur dosierte Rezepte ausstellen und eine stabile Psyche haben, um nach einer nervösen Kur wieder Freudensprünge zu erleben.

Was die geopolitische Lage im ukrainischen Lazarett betrifft, braucht es mehr als amerikanisches Aspirin um weitere Komplikationen im Spezialoperationssaal zu vermeiden. Eine anerkannte Therapie ist dafür leider bisher noch nicht vorhanden. Und wer glaubt, dass man derartige Themen nicht auf eine humoristische Weise bearbeiten sollte, dem sei gesagt: Lachen ist die beste Medizin.

Ihr Volker Schilling

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Volker Schilling
Volker Schilling

Volker Schilling ist Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG und Asset Manager bei Der Zukunftsfonds. Er ist regelmäßig gefragter Experte für Fernsehsender (n-tv, Bloomberg, ARD Börse) und viele andere Medien. In seiner ZASTER-Kolumne „Euro, Dollar, Schilling“ blickt er jeden Freitag auf die wichtigsten Themen des Finanzmarkts zurück.