© © wilhei / Pixabay
Zahl des Tages

70

von Jonas Rüffer

Am kommenden Mittwoch wird die Deutsche Mark 70 Jahre alt. Die DM, eingeführt in Westdeutschland, löste die komplett ruinierte Reichsmark nach dem zweiten Weltkrieg ab. Mit ihr begann der Neuanfang. Eine Rückblende.

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Hitler ist tot, die Alliierten kontrollieren die deutschen Gebiete, und das deutsche Reich besteht nicht mehr. Auch die von den Deutschen ehemals besetzten Gebiete haben großen Schaden genommen. Manche Städte sind teilweise bis zu 80 Prozent in Ruinen.

Was bleibt? Bittere Scham und Schuld über das angerichtete Leid, Hunger und Not, patrouillierende Soldaten in den Straßen und eine komplett zu Boden gerichtete Wirtschaft. Die Reichsmark ist am Ende. Es gibt kaum etwas zu essen, die Inflation hat alles aufgefressen. Der Schuldenberg Deutschlands ist so hoch wie noch nie, und die Kaufkraft ist dramatisch niedrig. Arbeiter schuften oftmals einen ganzen Tag, nur, um sich etwas Brot leisten zu können.

Derweil ist der Kalte Krieg ausgebrochen. Soldaten stehen sich Gewehrlauf auf Gewehrlauf an Kontrollpunkten wie dem Checkpoint Charlie in Berlin gegenüber und warten auf ein Zeichen. Auf den alles entzündenden Funken, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Welt in einen weiteren vernichtenden Konflikt führen soll. Wahrscheinlich den letzten, so denken viele. Im Hintergrund wird verhandelt, strategische Pläne werden entworfen und heiß diskutiert: Bloß nicht den anderen – damit sind entweder die Russen oder, aus der jeweils anderen Perspektive, die Alliierten gemeint – etwas preisgeben. Bloß als der stärkere da stehen, ja die Kontrolle behalten und Ruhe bewahren.

Die Menschen suchen nach Nahrung und Arbeit. Wie sonst sollen die Schäden beseitigt werden? Wie sonst sollen die Ressourcen für die Zahlungen an die Siegermächte erwirtschaftet werden? Diese Fragen beschäftigten damals die Öffentlichkeit. Sie sehnt sich nach einem Neuanfang.

„Bird Dog“ kommt – die neue Währung

Ganz weit weg von alldem, auf dem nordamerikanischen Kontinent, haben die Vorbereitungen auf diesen Neuanfang bereits begonnen. Kisten werden verladen. Unter einem geheimen Code, dem Namen „Bird Dog“, schippern die ominösen Kisten über den Pazifik. Enthalten ist der Neuanfang – in Form von bedrucktem Papier.

Am 20. Juli 1948 wird der Neuanfang an jeden westdeutschen Bürger ausgeteilt. 40 Deutsche Mark! Die Amerikaner haben die Vorkehrungen getroffen. Ein radikaler Preis- und Schuldenschnitt. Die Reichsmark ist Vergangenheit und nichts mehr wert. 90 Prozent der Schulden sind erlassen, verbrannt, vergessen, vom Erdboden verschluckt. Noch einmal alles auf Null. Noch einmal alles von vorne.

Jeder Bürger der BRD erhält am 20. Juli 1948 diese 40 Deutsche Mark in kleinen Scheinen. Ludwig Erhard gibt alle Preise für Lebensmittel frei. Der Grund für die hohe Inflation waren Hitlers Preisbindungsgesetze. So konnte Deutschland während des zweiten Weltkrieges Schulden machen und Geld drucken. Denn durch die Gesetze stiegen keine Preise, und niemand bemerkte die aufgestaute Inflation. Jetzt wurden die Preise wieder freigegeben. Zusammen mit der neuen Währung.

Die Schaufenster sind plötzlich prall gefüllt. Die Kaufkraft ist enorm, Geld ist wieder etwas wert. Man kann wieder kaufen und verkaufen. Der Lohn kann investiert werden. Das Geld fließt und fließt und fließt, das Fließband läuft und läuft und läuft. Die Geburt eines Wirtschaftswunders. Danke, Du liebe Deutsche Mark.

ein Artikel von
Jonas Rüffer
Jonas Rüffer (Jahrgang 1991), ist seit Februar Teammitglied der Zasterredaktion. Vorher hat er seinen Master in Politik abgeschlossen. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Servicethemen wie Kryptowährungen oder Geld- und Finanzpolitik.