Von wegen Schnäppchen

Die Prime Day-Lüge

von Nils Matthiesen

Am 15. und 16. Juli purzeln wieder die Preise – das will uns zumindest Amazon weismachen. Doch wie günstig ist es am Prime Day wirklich?

Mitte Juli klingeln bei Amazon wieder die Kassen – das steht schon heute fest. Schon im vergangenen Jahr verkaufte der Online-Gigant bei der 48 Stunden laufenden Rabatt-Aktion rund 100 Millionen Artikel. Um dieses Ergebnis zu toppen, werden potenzielle Kunden bereits im Vorfeld wuschig gemacht, Amazon-Kunden mit einer aktiven Prime-Mitgliedschaft soll auch 2019 beim Prime Day ein wahres Shopping-Feuerwerk erwarten.

Lockangebote schon durchgesickert

Erste „Heißmacher“ sind schon durchgesickert. Zum Beispiel gibt es Amazon-Music-Unlimited vier Monate lang für 99 Cent, viele Filme für die Hälfte und Kindle-Unlimited sogar vollkommen gratis. Das ist für viele Prime-Kunden sicherlich interessant. Trotzdem solltest du immer im Hinterkopf behalten, dass der Prime Day nichts weiter als ein Marketing-Konstrukt ist, entwickelt von cleveren Managern. Renommierte Verbraucherschützer sehen den Prime Day ebenso kritisch.

Vorsicht Verkaufstricks

„Konsumenten sollten sich bei der Schnäppchenjagd auf keinen Fall durch verkaufspsychologische Folterinstrumente wie ablaufende Countdowns oder die angebliche Knappheit eines bestimmten Produkts unter Druck setzen oder von ihrer Begeisterung unreflektiert fortreißen lassen”, so zum Beispiel Georg Tryba, Online-Experte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zur „Welt am Sonntag“. Weiter sagt er: „Viele Artikel, die angeblich ablaufen, stehen erfahrungsgemäß nach wenigen Stunden wieder im Netz. Die Wahrscheinlichkeit, eine einmalige Chance zu verpassen, ist gering. Im Netz herrscht jederzeit Schlussverkauf“. Amazons „Prime Day“ sei letztendlich nur eine von vielen Sonderaktionen wie Black Friday, Cyber Monday oder dem in China üblichen Singles Day, der in Deutschland ebenfalls zunehmend Beachtung finde.

Tolle Angebote die Ausnahme

Vor kurzem analysierte zudem das ZDF-Wirtschaftsmagazin „WISO“ in Zusammenarbeit mit dem Portal preishoheit.de die Preise von über 3.000 Produkten rund um den ähnlich gestrickten Black Friday. Das Ergebnis: Ja, es gibt Schnäppchen bei solchen Sonderaktionen – die würden aber die absolute Ausnahme darstellen. Unterm Strich sparten Kunden am Black Friday nicht mehr oder weniger als an jedem anderen Tag des Jahres. Zu ähnlichen Erkenntnissen kam auch idealo.de. Die durchschnittlichen Ersparnisse sind unspektakulär, größere Preisnachlässe waren die Ausnahme. Nur bei wenigen Artikeln sei das Sparpotenzial hoch.

Nur nach Vergleich zuschlagen

Lass dich also nicht verrückt machen und falle am Prime Day nicht auf vermeintliche Lockangebote herein. Die beworbenen Rabatte orientieren sich in der Regel an der oft unverhältnismäßig hohen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers. Viel wichtiger als Vergleiche sind jedoch die Internet-Preise. Echte Schnäppchen-Jäger sind daher gut vorbereitet und haben die Preise ihrer Wunschprodukte schon länger beobachtet. Wie sich Preise entwickeln, kannst du ganz einfach über Preissuchmaschinen wie idealo.de herausfinden. Suche hier nach dem gewünschten Produkt und studiere anschließend mithilfe des Charts die Preisentwicklung. Der zeigt genau, wie sich der Preis in den letzten drei, sechs und 12 Monaten entwickelt hat. Dadurch erfährst du, ob es sich bei scheinbar großartigen Angeboten tatsächlich um ein echtes Schnäppchen handelt.

Schnäppchen finden ist Glückssache

Ja, du kannst Schnäppchen am Prime Day finden – dazu musst du aber genau hinschauen. Im Großen und Ganzen handelt es sich höchstwahrscheinlich wieder in erster Linie nur um eine Marketing-Veranstaltung, die günstige Preise verspricht, dieses Versprechen aber nur selten hält.

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.