EURO, DOLLAR, SCHILLING – WAS DEN FINANZMARKT DIESE WOCHE BEWEGT HAT

Der einzige Weg hinaus führt durch die Krise

von Sonja Baer

Unser Kolumnist Volker Schilling plädiert dafür, die Krise als Chance zu nutzen, ganz im Sinne des lateinischen Wortes „Procedere“ = „voranschreiten, vorwärtsgehen“.

Prozess

In Kafkas Buch trifft es den Bankangestellten Josef K., der in die Mühlen der Justiz gerät, ohne zu verstehen, wie ihm geschieht. Nicht einmal den Grund der Anklage erfährt er bis zu seiner Hinrichtung. In der Finanzwirtschaft läuft es gerade ähnlich, hier ist es der Notenbankangestellte Jerome P., der sich immer tiefer in den geldpolitischen Prozess verstrickt, um der drohenden Hinrichtung der US-Wirtschaft entgegenzuwirken. Unter einem Prozess versteht man aber auch „einen Vorgang, der sich über eine gewisse Zeit erstreckt, bei dem etwas entsteht oder abläuft“. Und auch das passiert gerade in den entwickelten Volkswirtschaften der westlichen Welt. Der jetzt massiv angestoßene Prozess der „Geldausweitung“ ist unumkehrbar.

Was jetzt abläuft, wird mittel- bis langfristig Sachwerte massiv anschieben und Geldwerte schmälern. Zinsen sind tot, die Aktienanlage vor dem Boom des Jahrzehnts. Einen ersten Vorgeschmack konnten Sie bereits erleben. Der Prozess wird weiter andauern, gerade weil die meisten Investoren derzeit viel zu wenig Aktien in ihren Kapitalanlagen allokieren. Die Zahlen der Realwirtschaft (Massenarbeitslosigkeit, Pleiten, Handelsstreitigkeiten, Nationalismus) werden nur kurze Dämpfer an den Börsen sein, so wie diese Woche. Für mich ganz klare Nachkaufgelegenheiten, denn das große Geld kommt erst noch: Ein Prozess mit offenem Ausgang, aber steigenden Kursen.

Prozedere

Im Unterschied zum Prozess ist das Prozedere mehr eine Beschreibung des angewandten Verfahrens eines Prozesses oder ganz einfach nur die Prozedur. Interessanterweise hat die Prozedur auch eine negative Konnotation für viele. Vom lateinischen „procedere“ („vorwärtsgehen“ oder „voranschreiten“) hat es im wahrsten Sinne des Wortes auch etwas „Fortschrittliches“. Und genau da liegt der Kern: Fortschritt findet besonders bei Zäsuren statt, also sehr häufig in Krisen.

Warum? Wer sollte etwas ändern, wenn alles gut läuft? Ja, es braucht Veränderungen von außen, die Veränderungen im Inneren anschieben. Die Corona-Krise ist eine solche Zäsur. Sie ist aber auch maximal bedrohlich für Körper und Einkommen. Deshalb haben es die Untergangspropheten, Schwarzmaler und Verschwörungstheoretiker viel einfacher als die Realisten, die Innovatoren oder Weltverbesserer. Wenn uns aber die Geschichte der Menschheit eines gezeigt hat, dann, dass Krisen oft die Geburtsstunden des kommenden Wohlstands waren.

Ich habe es bereits vor einigen Ausgaben geschrieben, aber weil es so wichtig ist, hier noch einmal: Viele Unternehmen werden gestärkt diese Wirtschaftskrise verlassen, Marktanteile hinzugewinnen und wieder neue Rekordgewinne einfahren. Als Aktionär gehören Ihnen diese Gewinne. Vergessen Sie Kursschwankungen, setzen sie auf die Gewinne. Eine schlaue Prozedur wie ich finde.

Prozession

Fronleichnamsprozessionen blieben an diesem Feiertag wegen Corona häufig aus. Dennoch dürften einige in Demut und Gebeten verfallen sein, als sie nach dem Feiertag auf ihren Depotauszug geblickt haben. Die Börsen hatten nämlich nicht frei und machten sich frisch, fromm, fröhlich daran, satte Kursrückgänge zu produzieren. Der viertschlechteste Tag war dies in diesem Jahr. Zuvor hatte die US Technologiebörse Nasdaq 100 aber erstmalig in der Geschichte die 10.000 Punkte-Marke geknackt. Da haben einige nicht schlecht gestaunt und sich geärgert, dass sie nicht dabei waren bei dieser Prozession. Aber nach dem Kurssturz diese Woche haben sie nochmal die Gelegenheit. Denn auch das Wort Prozession stammt vom gleichen lateinischen Wortstamm wie Prozedere: „Voranschreiten“. Jetzt liegt es an Ihnen.

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Sonja Baer