Christian lebt zusammen mit seiner Schweizer Frau seit 2016 in der Schweiz. Auf seinem Blog „Auswanderluchs“ und dem gleichnamigen YouTube-Kanal berichtet er über sein Leben im Alpenland. Wir haben den Auswanderer für eine neue Folge „Zaster Around The World“ getroffen.
1. Warum bist Du in die Schweiz gegangen und was hält Dich dort?
Ich bin wegen der Liebe in die Schweiz gegangen. Meine Frau und ich haben uns bei Quizduell, einer Quiz-App, kennengelernt, wo wir uns als zufällige Spielgegner vorgeschlagen wurden. Wir haben miteinander gespielt, über die dortige Chatfunktion angefangen zu schreiben und uns schon nach wenigen Wochen zum ersten Mal in Zürich getroffen. Der Auswandergedanke kam bei mir relativ schnell. Beruflich war es für mich einfacher, in die Schweiz zu gehen, als umgekehrt. Zudem hat mich das Leben in der Schweiz auch mehr gereizt. Für meine Frau wäre Auswandern nach Deutschland sehr schwierig gewesen. Inzwischen wohnen wir in der unmittelbaren Nähe von Zürich und haben eine gemeinsame Tochter. Das Leben hier gefällt mir ausgesprochen gut und wie sich gezeigt hat, haben sich mir hier auch ungeahnte berufliche Möglichkeiten eröffnet…
2. Was können die Deutschen von den Schweizern lernen? Und möglicherweise andersherum?
Die Schweizer handeln in vielerlei Hinsicht überlegter und differenzierter als die Deutschen und zwar sowohl als Einzelperson als auch in der Gemeinschaft. Hier in der Schweiz wird mehr auf (direkte) Demokratie und Eigenverantwortung gesetzt. Daraus resultieren oft auch ausgewogenere Entscheidungen. Und nicht zuletzt führt die höhere Eigenverantwortung hier auch zu deutlich niedrigerer Steuerbelastung im Vergleich zu Deutschland.
Die SchweizerInnen sind sicherlich weniger direkt als die Deutschen. Vielleicht könnten sie sich da in manchen Situationen eine Scheibe von abschneiden. Allerdings gefällt mir diese zurückhaltend-höfliche Kommunikation eben gerade am Leben in der Schweiz. Deshalb möchte ich das eigentlich gar nicht als „Lektion” vorschlagen.
3. Welche 3 Tipps würdest du einem Deutschen geben, der auch in die Schweiz auswandern will?
1. Die kulturellen Unterscheide sollten einem bewusst sein. Die Schweiz ist kein kleines Deutschland und wer sich wohlfühlen will, sollte sich bewusst sein, dass es manchmal ein bisschen bedächtiger zu und her geht – sowohl in der Kommunikation, wie auch in der Politik. “Ruckzuck, zackzack” hören die Schweizer nicht gerne. Höchstens in Sketches, in denen die Deutschen hochgenommen werden!
2. Die Lebenshaltungskosten sind in der Schweiz viel höher als in Deutschland. Man sollte sich vorab sehr gut darüber informieren und dies insbesondere auch bei den Lohnverhandlungen berücksichtigen, um danach keine böse Überraschungen zu erleben.
3. Nicht alle Schweizer/innen – insbesondere nicht diejenigen in den eher ländlichen Gegenden – sind es gewohnt, Hochdeutsch zu sprechen und viele mögen es auch nicht besonders. Wer schnell Schweizerdeutsch versteht, hat sicherlich einen Vorteil beim Knüpfen von neuen Kontakten.
4. Wie teuer ist das Leben in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland?
Regional ist das sehr unterschiedlich. In der Stadt ist es teurer als auf dem Land, ähnlich wie in Deutschland. Gewisse Regionen wie Zürich, Genf und Zug stechen besonders hervor. Im Schnitt ist das Leben hier 50 Prozent teurer. Durch den höheren Lohn und die in den meisten Kantonen sehr niedrigen Einkommensteuern steht man finanziell jedoch dennoch besser da als in Deutschland. Der Brutto-Medianlohn liegt in der Schweiz bei CHF 6‘538 (5‘942 €) monatlich.
5. Krankenversicherung, Steuern, Rentenversicherung? Wie wird das in der Schweiz gehandhabt?
Die Krankenversicherung wird nicht wie in Deutschland vom Bruttolohn abgezogen. Stattdessen zahlt man sie wie andere wie andere private Versicherungen vom Nettolohn. Der Arbeitgeber gibt in der Regel nichts dazu und jedes Familienmitglied muss extra versichert werden. Behandlungen beim Zahnarzt sind übrigens nicht inklusive. Es gibt zwei Selbstbeteiligungen: Die Franchise und den Selbstbehalt.
Gerade in der Deutschschweiz sind die Einkommensteuern im Vergleich zu Deutschland sehr niedrig. Die Steuer wird der Schweizerin und dem Schweizer nicht direkt vom Lohn abgezogen. Vielmehr gilt es, jährlich eine Steuererklärung auszufüllen, aufgrund der zu zahlende Betrag berechnet wird. Allerdings gibt es auch hier das System des direkten Abzugs der Steuern vom Lohn, nämlich dann, wenn man als Ausländer/in neu in die Schweiz eingewandert ist. Dann zahlt man in der Regel die ersten fünf Jahre sogenannte Quellensteuern und muss dann (noch) nicht die Steuererklärung ausfüllen. Allerdings scheint sogar die Steuererklärung mehr Spass zu machen, je länger man hier lebt. Im Kanton Zürich wurde dieses Jahr zum Beispiel eine neue, komplett digitale Version zur Erfassung der Steuern samt Einreichung der Unterlagen aufgeschaltet und so erfüllt selbst meine Frau weit vor Ablauf der (erstreckten) Frist ihre Bürgerinnen-Pflichten.
Die Altersvorsorge unterscheidet sich ebenfalls stark. In der Schweiz gibt es das Drei-Säulen-System. Die AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung) ist die erste Säule. Diese ist umlagefinanziert. Es gibt eine Mindest- und eine Maximalrente. Die zweite Säule ist kapitalgebunden und wird umgangssprachlich als Pensionskasse bezeichnet. Beide Säulen werden durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert. Darüberhinaus gibt es die freiwillige dritte Säule, bei der man auf ein spezielles Konto jährlich einen Betrag von bis zu CHF 6‘538 einzahlen kann. Eine wirklich gute und simple Lösung, um für das Alter vorzusorgen und gleichzeitig Steuern zu sparen.
6. Welchen geheimen Spartipp hast Du für das Leben in der Schweiz entdeckt?
Einen geheimen Spartipp habe ich nicht auf Lager, aber tatsächlich musste ich feststellen, dass die Bildung der Schweizer/innen in Finanzfragen um einiges höher ist. Es scheint hier beispielsweise schon jedem Kind klar zu sein, dass man nicht nur für kurzfristige Wünsche, sondern auch für mittel- und langfristige Ziele sparen und seine monatlichen Einkünfte budgetieren muss. Ich gehe mit meinen Finanzen auf jeden Fall grundlegend anders um, seit ich in der Schweiz lebe.
7. Welches Produkt ist in der Schweiz besonders teuer und welches Produkt sehr günstig?
Drogerieartikel sind verhältnismäßig teuer. Oft zahlt man einen bis zu dreifach höheren Preis. Das krasseste Beispiel, das ich gesehen habe, sind Einmal-Wickelunterlagen. In Deutschland kostet die Packung 1,65 Euro. Bei den grossen Einzelhändlern in der Schweiz kostet die gleiche Packung umgerechnet 8,38 Euro. Fleisch und Wurstwaren sowie Milchprodukte sind ebenfalls um einiges teurer. Teilweise kosten diese Waren den doppelt bis dreifachen Preis.
8. Hast Du einen Tipp für die Jobsuche für Einwanderer in der Schweiz?
In der Schweiz mag man großspuriges Auftreten nicht so gern. Ein etwas bescheideneres Auftreten als in Deutschland kommt hier besser an.
9. Wie sieht dein neuer Alltag in der Schweiz aus? Was hat sich hier am meisten zum alten Leben verändert?
Ich habe mich hier selbständig gemacht. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich genieße es, öfter draußen zu sein, spannende Ausflüge in die Umgebung zu machen, etwa in eine noch unbekannte Stadt, die Aussicht auf einem der unzähligen Berge zu geniessen oder auch mal an einem See gemütlich ein Glas Wein zu trinken. Hier gibt es so viel Schönes zu sehen und da alles viel kleinräumiger ist, gibt es unendlich viele Möglichkeiten für aufregende Tagesausflüge. Und apropos Wein: Den trinke ich auch gerne und regelmäßig zu Hause und das ist auch noch eine kleine Veränderung, seit ich in der Schweiz bin. Die SchweizerInnen trinken viel mehr Wein als die Deutschen und viele haben ein recht großes Know-how in Sachen Weinkunde. Dementsprechend werden einem in der Regel auch wirklich feine Tropfen aufgetischt.
10. Welche Rolle spielt Geld in der Gesellschaft in der Schweiz? Was würdest Du sagen?
Geld spielt eine große Rolle, obwohl die meisten nicht gerne darüber sprechen oder es überhaupt zugeben würden. “Geld hat man zu haben”: Vermögensaufbau gehört hier einfach dazu! Alleine schon wegen der höheren Eigenverantwortung ist das wichtig. So kann es sein, dass der normale Facharbeiter am Ende seines Lebens mehrere Liegenschaften neben einem sechsstelligen Barvermögen besitzt. Auch Aktien und andere Wertpapiere sind hier beliebter als in Deutschland.