Die dunkle Seite des Geldes

Al Capone – Der echte Scarface

von Christoph Masurek

Die Prohibition, das Glücksspiel und die Prostitution machten Al Capone zu einem reichen Mann. Seine drei Narben und sein öffentliches Auftreten ihn zu einem Mythos, der bis heute fasziniert.

Kurz vor der Jahrtausendwende, im Jahr 1899, erblickt Al Capone in New York das Licht der Welt. Seine neapolitanischen Eltern waren kurz zuvor aus Italien ausgewandert, um in Amerika als Friseur und Näherin den amerikanischen Traum zu leben. Zusammen mit seinen neun Geschwistern wächst Alfonso, so der volle Vorname von Capone, in einem kleinen Apartment im Stadtteil Brooklyn auf – einer Gegend, die damals von der Rotlichtszene und vielen Bars geprägt war.

Doch nicht nur auf den Straßen ist der Ton schroff: Auch in der Schule gehören körperliche Auseinandersetzungen zum Alltag. Nachdem Alfonso von einer Lehrerin geschlagen wird, haut er zurück. Damit besiegelt er unbewusst nicht nur das Ende seiner kurzen Schulzeit, sondern auch den Anfang seiner kriminellen Aktivitäten auf den Straßen New Yorks.

Schutzgeld mit 15

Die vielen Italiener in der Stadt hatten sich bereits organisiert und erkannt, dass sich auf den Straßen wesentlich schneller und mehr Geld verdienen lässt, als in regulären Berufen. Das war zwar wesentlich unbequemer und nicht selten auch brutaler, aber attraktiv. Schon mit 15 Jahren beginnt der junge Capone als Schutzgeldeintreiber zu arbeiten.

Bars und Restaurants erkauften bei den Italienern unfreiwillig Sicherheit vor anderen Gangs. Wollte sich ein Inhaber dem Zwang nicht beugen, rückte der junge Teenager mit einem Baseballschläger aus, um die Wirte von der Relevanz der Sicherheit zu überzeugen. Seine Dienste stellt er einem der ersten Mafia-Bosse überhaupt zur Verfügung: Johnny Torio, der so etwas wie ein Mentor für Capone wird.

Das Narbengesicht

Im Sommer 1917, im Alter von 18 Jahren, zog sich Al Capone seinen Spitznamen „Scarface“ zu. In einer Bar flirtete er mit der Schwester eines Gangsters und kommentierte dabei ihren Po. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob es sich dabei um ein Kompliment oder eine abfällige Bemerkung handelte. Unabhängig davon zog der betrunkene Bruder der jungen Frau ein Messer und zog es durch das Gesicht von Al Capone. Dabei entstanden die drei Narben und sein Spitzname „Scarface“, der ihn zu Lebzeiten stets missfiel.

Dem Täter gegenüber war er nie sauer. Im Gegenteil: Er verstand die Reaktion, schließlich hatte er sich gegenüber seiner Schwester nicht richtig verhalten. In Folge beschäftigte er ihn sogar und ließ ihn später sogar als seinen Bodyguard arbeiten. Der gleichnamige Film „Scarface“ mit Al Pacino aus dem Jahr 1983 leiht sich übrigens nur den Spitznamen von Al Capone – der Protagonist Tony Montana, ein kubanischer Einwanderer, hat mit seinem Namensvetter aus der Realität sonst recht wenig gemeinsam.

Chicago – Heimat einer Legende

Mit 19 Jahren wird der junge Gangster Vater. Er heiratet eine Irin und sucht den Weg zurück in die Gesellschaft. Er nimmt eine Anstellung als Buchhalter für eine Baufirma an und möchte ein rechtschaffener Bürger werden. Erst mit dem Tod seines Vaters, hört er auf den Ruf seines früheren Mentoren Johnny Torrio und zieht zu ihm nach Chicago. Dort hatte sich dieser bereits ein breites Syndikat aufgebaut und mit Glücksspiel, Prostitution und Alkoholschmuggel ein kriminelles Imperium errichtet.

Nach einem gescheiterten Attentat auf Johnny Torrio zieht sich dieser zurück und überlässt seine Geschäfte dem jungen Al Capone. Mit gerade einmal 25 Jahren beherrscht der junge Mafiosi die Unterwelt Chicagos und verdient Millionen. Allein der Alkoholschmuggel während der Prohibition in den 1920er Jahren sollen für ihn rund 95 Millionen US-Dollar im Jahr abgeworfen haben. Durch die große Abneigung gegenüber der Prohibition wurde Al Capone für die Bürger von Chicago so etwas wie ein Held – er ermöglichte ihren Rausch und wurde so populär.

Die Öffentlichkeit und die Medien beginnen ihn zu lieben – und er sie umgekehrt auch. Im gefällt seine Präsenz in den Zeitungen, er kleidet sich extravagant und empfiehlt den Fotografen ihn von rechts zu fotografieren, da er so besser aussehe. Außerdem inszeniert sich der Mörder als Wohlstifter, finanziert eine Suppenküche in Chicago, übernahm Arztrechnungen und galt als Gentleman. Das Leben in Saus und Braus hatte seine Preise. So nächtigte er stets in der Suite des luxuriösen Metropol Hotels für 1500 US-Dollar in der Nacht.

Mythos

Sein Mythos reicht bis in die Gegenwart. Insbesondere seine Fairness gegenüber ehemaligen Rivalen und seine cleveren Deals machten ihn zu einer Legende und einem „aufrechten Geschäftsmann“. Dabei war Al Capone auch Mörder, Betrüger und Räuber zugleich – ohne das ihm die Staatsanwaltschaft je etwas antun konnte oder gar wollte. Schließlich bezahlte Al Capone auch zahlreiche Amtsträger, darunter Polizisten und Justizbeamte dafür, Ermittlungen fallen zu lassen oder gar nicht erst aufzunehmen. Als ein Journalist ihn fragte, ob er wirklich ein Schmuggler sei antwortete er:

Na klar. Und ein paar unserer besten Richter trinken mein Zeug.
Al Capone

Für Steuerhinterziehung nach Alcatraz

Das Ende von Al Capones Karriere beginnt mit einer weiteren Bandeschießerei. Dabei stirbt versehentlich ein Staatsanwalt und der Druck auf die Politik wächst. Die bisherigen Morde und kriminellen Aktivitäten konnten ihm nicht nachgewiesen werden. Erst als Capone seine Einkünfte selbst nachweisen sollte, gelang es den Behörden den Gangster für Steuerhinterziehung ins Gefängnis zu bringen. In seiner Selbstsicherheit und Arroganz schwieg er zu seiner Verteidigung – schon zahlreiche Male mit Erfolg. Dieses mal wanderte er jedoch für elf Jahre ins Gefängnis und sollte sich davon nie mehr recht erholen.

1932 beginnt die Haftstrafe für den Patriarchen von Chicago in Atlanta. Zunächst gelingt es ihm, auch von dort aus seine Machenschaften zu verfolgen, obwohl die Behörden versichern er würde wie jeder andere Häftling auch behandelt werden. Andere Insassen berichten später, dass Capone auch hinter Gittern wie ein König lebte und mit Bargeldschmuggel (mit Hilfe der Wärter) sein Geschäft betrieb. Daher landet er 1934 auf der berüchtigten Gefängnisinsel Alcatraz vor San Francisco. Während dieser Haft lebt er abgeschieden und abgeschnitten, mehrere Angriffe von Mithäftlingen fügen nicht nur seinem Status Schaden zu. Er wird ruhig, verhält sich zurückgezogen und wird sogar wegen guter Führung vorzeitig entlassen.

Nach seiner Haft leidet er stark und ist gesundheitlich angeschlagen. Er zieht sich zurück, wird pflegebedürftig und stirbt im Alter von 48 Jahren im Jahr 1939 im Kreis seiner Familie. Von seinem Geld ist so gut wie nichts mehr übrig – die Kosten für die Beerdigung musste sein Bruder stemmen.

ein Artikel von
Christoph Masurek
Christoph studiert Politikwissenschaften in Wien und sucht noch immer vergeblich nach der Geschäftsidee, die sein Leben sowohl erleichtert als auch bereichert.