Zeit statt Geld
Zeit statt Geld. Diese Lebensphilosophie hat sich unser ZASTER-Kolumnist Frank Behrendt zu Herzen genommen. Warum lest ihr in seiner heutigen Kolumne.
Vor ein paar Jahren habe ich ein Buch geschrieben: „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ heißt es. Es wurde ein SPIEGEL Bestseller. Revolutionäres habe ich nicht verfasst, aber dennoch einen Nerv getroffen. Ich habe offen und ehrlich beschrieben, wie ich ticke, arbeite und lebe. Schon früher habe ich Prinzipien gehabt, an Wochenenden nicht gearbeitet, kam meist pünktlich zum Abendessen nach Hause, bin an den Geburtstagen von Familienmitgliedern nicht ins Büro gegangen und habe das Handy kompromisslos ausgeschaltet. Weil mir die Feiern meiner Lieblingsmenschen wichtiger waren und sind als jeder Business-Termin.
Mein Leben, meine Familie, meine Freunde hatten und haben Priorität. Das habe ich eines Tages für mich entschieden und radikal umgesetzt. Trotzdem arbeite ich gerne, mag inspirierende Menschen, liebe spannende Aufgaben. Aber alles so orchestriert, dass ich eine Work-Life-Integration hinbekomme, bei der ich das gute Gefühl habe, dass die Menschen, die mir wichtig sind, nicht zu kurz kommen. Das gilt übrigens auch für mich selbst, denn die Selbstliebe ist ein kostbares Gut, das es zu schützen gilt. Mir tut mein ganz persönlicher Weg gut, denn ich bin ein extrem zufriedener Mensch. Dabei ist es nicht finanzieller Wohlstand, der mir dieses Gefühl verleiht, es sind andere Dinge, die dafür sorgen.
Zum Beispiel ein früher Spaziergang mit meinem Hund zum Rheinufer, damit wir den malerischen Sonnenaufgang beobachten können. Herrlich ist es auch, meinen aktiven Kindern zuzusehen, wenn sie sich lachend an heißen Tagen mit kleinen bunten Spritztieren durch den Garten jagen. Einer der großen Vorteile vom Homeoffice: Man bekommt viel mehr an der heimischen Basis mit. Ich fahre meinen Nachwuchs leidenschaftlich gerne zur Schule, zum Ballett oder zum Basketball. Ich rede gerne mit ihnen über ihre Erfolge, ihre Niederlagen und ihre Träume. Ich höre sie mir an und später denke ich an meine.
Einer war immer, Zeit für das Wesentliche zu haben, weniger zu arbeiten, mehr zu leben. Das tue ich in vollen Zügen. Viele fragen sich, warum ich immer gute Laune habe: Die pure Freude, einfach auf der Welt zu sein ist ein ganz essentieller Grund dafür. Ich bin inzwischen der Dirigent meines Lebens geworden, habe mich 2017 aus einer Festanstellung in die Selbstständigkeit verabschiedet und dadurch noch mehr Freiheiten gewonnen. Natürlich hat das auch seinen Preis, denn ich könnte mehr verdienen, wenn ich weiterhin einen Top-Job mit viel Verantwortung für entsprechende Budgets und viele MitarbeiterInnen tragen würde. Die andere Seite der Medaille sähe dann aber so aus, dass ich viel mehr unterwegs sein müsste, die Arbeitstage länger würden, ich Abstriche bei der verfügbaren Zeit für meine Kinder, meine Frau, meine Freunde und den Hund machen müsste.
Ich habe damals gemeinsam mit meiner Frau ohne lange Diskussionen entschieden, dass uns ein Mehr an Zeit viel wertvoller ist als mehr Geld. Seitdem leben wir bescheidener. Interessant war für mich dabei die Erkenntnis, als ich feststellte, dass die Familie gar nicht die hohen Ansprüche an Urlaube, Restaurants und Hotels hatte, die ich uns früher regelmäßig als „Belohnung“ gönnte. Am Ende habe ich damit stets versucht, etwas zu kompensieren – Luxus als Entschädigung für den Mangel an Quality time.
Dabei schwärmen die Kinder rückblickend gar nicht vom erlebten Edelressort auf Mauritius, sondern preisen die einfachen Dinge. Die erlebten Abenteuer auf der Fahrradtour, die urigen Übernachtungen in der Blockhütte, Stockbrot am Lagerfeuer. Diese Erinnerungen, die sie im Herzen tragen und mit strahlenden Augen immer wieder hervorholen. Wenn ich zurückblicke, war es bei mir nicht anders. Eine Kanu-Tour, die ich vor Jahrzehnten mit meinem verstorbenen Vater machte, ist ein wertvoller Schatz, den ich mit mir herumtrage. Ich höre dann das Wasser, die Natur, das leise Geräusch, wenn die Paddel ins Wasser tauchen. Ich sehe uns beide, eng verbunden, in eine Richtung schauend. Vater und Sohn, so nah, so besonders, so unvergesslich.
„Ich bin es gewohnt, aus wenig viel zu machen“, hat mir kürzlich ein sehr vernünftiger Fußballmanager gesagt, nachdem er bei einem Drittligisten anheuerte, der nur geringe finanzielle Möglichkeiten hat. Ich habe über den Satz lange nachgedacht und er trifft auch meine Denke sehr gut. Es sind oft die kleinen Dinge, die happy machen, wenn man den Wert des Moments wertschätzt und bewahrt. So wie der wunderbare Sonnenaufgang mit meinem Hund am Rheinstrand. Der kostet nicht mal Eintritt, macht aber extrem glücklich.