ANGELEGT!

Wer klopft da an die Tür? Die Inflation!

von Marcus Lucas

ZASTER-Kolumnist Leonhard Fischer über einen historischen Paradigmenwechsel der US-Notenbank, der gerade fast im Geheimen geschieht.

An einem Samstagabend Anfang Oktober 1979 schrieben die amerikanische Zentralbank, die Fed, und ihr gerade erst ernannter neuer Chef Paul Volcker Wirtschaftsgeschichte: In die Annalen der Börse sollte dieser Abend als “Saturday Night Massacre” eingehen.

Was war geschehen? Volcker verkündete in einer sehr kurzfristig einberufenen Pressekonferenz einen dramatischen Paradigmenwechsel in der Geldpolitik. Beispielhaft für die Philosophie der 1970er stand bis dato eher ein Bonmot, das dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt zugeschrieben wurde: “Lieber 5% Inflation als Arbeitslosigkeit”. Am Ende hatte man beides.

In dieser Nacht jedoch machte Volcker unmissverständlich klar, dass von nun an die Inflationsbekämpfungen fast um jeden Preis die erste und zentrale Aufgabe der FED sein würde. In der Folge stiegen die Zinsen auf fast 20%, die Wall Street reagierte geschockt und weltweit glitt die Wirtschaft in eine Rezession, die den damaligen Präsidenten Jimmy Carter ein Jahr später seine Wiederwahl kosten sollte.

Der neue Präsident Ronald Reagan änderte im Tandem mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher dann auch noch die Grundprinzipien der Wirtschaftspolitik. Deregulierung, weniger Staat und Freihandel waren die neuen Zauberworte. Es dauerte Jahre, bis die Inflation verschwand, aber die Basis war gelegt für einen jahrzehntelangen Boom an den Finanzmärkten.

41 Jahre später gibt die Fed an einem Tag Anfang September 2020 wieder eine Pressekonferenz mit einer grundsätzlichen Aussage: Die Geldpolitik soll sich in den nächsten Jahren auf die Stimulierung der Realwirtschaft und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konzentrieren.

Ein Anstieg der Inflation auch über das Ziel von 2 Prozent, so der neue Tenor, wäre im Zweifel hinzunehmen.

Ein Anstieg der Inflation auch über das Ziel von 2 Prozent, so der neue Tenor, wäre im Zweifel hinzunehmen. Eigentlich ein Paradigmenwechsel vom Paradigmenwechsel. Doch diesmal gibt es keinen Aufschrei. Überhaupt ist die öffentliche Reaktion fast genauso niedrig wie das aktuelle Zinsniveau von null Prozent.

Man soll ja mit Vergleichen vorsichtig sein. Doch eingebettet ist die neue geldpolitische Maxime der Fed auch in eine neue wirtschaftspolitische Realität, die als Umkehr der damaligen Prinzipien daherkommt: Weniger Freihandel, mehr Regulierung, mehr Staat.

In diesen Tagen ist es der Corona-Notstand, aber ich bin fest davon überzeugt, der wird nahtlos in den Klima-Notstand umschalten. Beides definiert ein Primat politischer Ziele über ökonomische. Ich will das gar nicht bewerten oder hinterfragen. Es verwundert nur, dass wir alle zu verdrängen scheinen, dass dieses neue Paradigma einen Preis haben wird.

Und ich bin davon überzeugt, dass dieser Preis höher ausfallen wird als wir denken. Es hat auch damals noch Jahre gedauert, bis die Inflation wirklich fiel und im Gefolge die langfristigen Zinsen nachhaltig sanken, was wiederum Börsen und Immobilien erlaubte, von Rekord zu Rekord zu jagen.

Nennt mich altmodisch, aber ich glaube immer noch, dass der Staat und seine Zentralbank letztlich die Macht und die Mittel haben, Inflation zu erzeugen. Die neue Wirtschafts- und Geldpolitik scheint wie in den 1970ern Inflation zumindest tolerieren zu wollen.

Deshalb allein gibt es für mich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie früher oder später noch dem Anklopfen auch eintritt. Mit allen Konsequenzen.

ein Artikel von
Marcus Lucas