EURO, DOLLAR, SCHILLING – WAS DEN FINANZMARKT DIESE WOCHE BEWEGT HAT

Von Karambolagen und Kollateralschäden

von Marcus Lucas

Donald Trump und First Lady Melania sind Corona-positiv und in Quarantäne. Welche Auswirkungen wird das wohl haben – auf den Endspurt des US-Wahlkampfs, auf die Wahl überhaupt, auf den Rest der Welt? Darüber wird nun geradezu fieberhaft spekuliert. Auch an den Finanzmärkten.

Karambolage

Mit Volldampf fuhr der präsidiale D-Zug – das D steht für Donald – durch das TV-Duell mit Joe Biden und verursachte eine Massenkarambolage. Zum einen beschädigte er wie gewollt das Ansehen seines Konkurrenten, zum anderen aber touchierte er auch das gesamte Fernsehformat, indem er auf die vorher vereinbarten Regeln verzichtete. So nahm nicht nur der Moderator und sein politischer Gegner Schaden – alle US-Bürger sind Kollateralschäden seiner Entgleisung. Wie will man ein Präsident für alle sein, wenn man von seinen Jungs spricht, wenn man ausschließlich sein Klientel bedient und mit der „Hau drauf“-Mentalität allen zeigt, dass Debatten und Argumente einfach nichts zählen, sondern ausschließlich das eigene Befinden. Die Karambolage ging daher mitten in die Visage aller Zuschauer. Format und Auftreten kann und muss man kritisieren, Inhalte lassen sich wenig kritisieren, da kaum vorhanden. Wer wird also der nächste Präsident? Ich gönne es B(e)iden.

Sabotage

Vielleicht war Donald Trump aber einfach nur sabotiert. Durch eine enge Mitarbeiterin, die, wie man diese Woche erfahren hat, den Präsidenten wohl mit dem Coronavirus auf dem Flug zum TV-Duell angesteckt hat. Hoffen wir, dass die Krankheit so milde bei den Trumps verläuft, wie sie es propagiert haben. Und das meine ich völlig ironiefrei. Die Börse hat die Meldung erst einmal mit fallenden Kursen quittiert, denn Wall Street sieht lieber Trump im Amt. Und genau deshalb wird die Unsicherheit die einzige Sicherheit sein, die uns bis zum Wahltag begleitet.

Ich fürchte sogar darüber hinaus, denn genaue Ergebnisse werden auf sich warten lassen. In diesem Sinne ist für die Zeit bis zum 3. November mit keinem Richtungsentscheid an der Börse zu rechnen. Ich habe dazu diese Woche auch ein Interview für das Börsenradio gegeben, welches Sie sich gerne hier anhören können: Börsen bis zur US-Wahl.

Unter dem Begriff Sabotage dürften diese Woche auch die neuen Meldungen zum Wirecard-Skandal fallen. So gab es beim Wirtschaftsprüfer EY Mitarbeiter, die auf Betrug bei Wirecard deutlich hingewiesen haben und eine Sonderprüfung anstoßen wollten, die kurzerhand von Wirecard-Vorstand und Betrüger Jan Marsalek auf persönliche Anweisung an EY gestoppt wurden. So geht Sabotage. Die Passage dieses Berichtes könnte für EY allerdings noch einmal problematisch werden.

Apropos: Problematisch wurde es diese Woche auch bei der Bayer-Aktie. Der Wert bricht über 10% nach Gewinnwarnung wegen massiven Abschreibungen aufs Agrargeschäft ein. Da hat der Monsanto-Deal endlich auch die Bilanz erreicht. Investoren lassen die Aktie fallen. Das macht sie für mich interessant, denn ungeliebte Werte lassen sich günstig kaufen.

Korsage

Das Korsett der Geldwertstabilität, welches die Aufgaben und Maßnahmen der Notenbanken über Jahre hinweg zusammengehalten hat, wird aufgeschnürt. Nachdem bereits die US-Notenbank die Inflationsbekämpfung nicht mehr als vorrangiges Ziel definiert, zieht womöglich jetzt auch die Europäische Notenbank nach. Christine Lagarde selbst will die Tür für ein flexibleres Inflationsziel öffnen. Die EZB-Chefin deutete an, dass die Notenbank im Rahmen ihrer Strategiedebatte prüfen wird, künftig zeitweise auch höhere Preissteigerungen zuzulassen.

Zwar sehe ich kurzfristig keine Inflationssorgen, aber mittelfristig wird diese Kehrtwende ein Game-Changer an den Märkten werden. Darüber werden wir in Zukunft noch sprechen müssen.

Ihr Volker Schilling

ein Artikel von
Marcus Lucas