Offiziell geschieden: Anleihe- und Aktienmarkt laufen komplett auseinander!
Aus Sicht des Aktienmarktes heißt es jetzt: „Climbing the wall of worry.“ Die große Zinssenkung der Federal Reserve hat gezeigt, dass die US-Notenbank hinter die Kurve gefallen ist und nun aufholen muss. Negativ ist, dass die Notenbank die Zinswende nicht bereits im Juni oder Juli begonnen hatte und damit bewiesen hätte, dass man proaktiv handelt und damit Stärke beweist, anstatt jetzt überhastet reagieren zu müssen, was signalisiert, dass man ein Gejagter ist und nicht der Jäger. Die gute Nachricht ist:
Die neue Prognose bis Ende 2025 zeigt, dass die Fed schnell aufholen will. Insgesamt signalisierten die FOMC-Mitglieder, dass sie noch in diesem Jahr weitere 50 Basispunkte und im kommenden Jahr weitere 100 Basispunkte an Zinssenkungen erwarten. Inklusive der September-Entscheidung reden wir also über eine bereits angekündigte Reduzierung um 200 Basispunkte auf 3,50 % Ende 2025. Das ist die schärfste Zinssenkungsprognose, die die Fed je abgegeben hat. Und signalisiert dem Aktienmarkt: Wir kommen wieder vor die Kurve, um die Konjunktur und den Arbeitsmarkt zu stützen. Der Aktienmarkt erwartet natürlich noch mehr und preist dies auch ein. Zu Recht, denn:
US-Unternehmen strotzen vor Gesundheit
Die Gesundheit der großen US-Unternehmen ist sehr gut. Der Gewinn der S&P 500 Mitglieder stieg im 2. Quartal um 11,3 % im Jahresvergleich. Das stärkste Quartal seit dem Dezember-Quartal 2021. Obendrein übertrafen 80 % der Unternehmen die (hohen) Erwartungen, was ebenfalls über dem üblichen Schnitt lag.
Fakt ist allerdings auch, dass der Amerikanische Exzeptionalismus aktuell sehr ausgeprägt ist. Vergleicht man die großen Wirtschaftsregionen weltweit, dann zeigen überall die Trends Richtung Süden. Die EZB zieht fleißig die Zinssätze im Euro in den Keller, nachdem der Geld- und Anleihenmarkt diesem Zinszyklus bereits seit Langem vorweggriffen hat, da insbesondere die Konjunktur in der größten europäischen Volkswirtschaft Quartal für Quartal immer schwächer wird.
Europa und China ziehen die Stimmung runter
Die ehemalige Wachstumslokomotive China ist makroökonomisch betrachtet nur noch ein Schatten seiner selbst. Zermahlen zwischen den Attacken der Kommunistischen Partei auf die eigene Wirtschaft und dem Wirtschaftskrieg mit den USA und Europa. Die beiden Notfall-Zinssenkungen der People’s Bank of China in dieser Woche, gepaart mit den Erleichterungen für den Hypothekenmarkt und der Aussicht auf staatliche Kreditlinien, um Aktien zu kaufen, signalisieren keine Stärke, sondern eine weitere Eintrübung der Konjunktur im 3. Quartal. Oder anders gesagt: Peking bekommt den Abschwung nicht in den Griff.
Die Stärke der Amerikaner sticht also heraus. Und ist der letzte wichtige Katalysator, um die Equity-Story am Laufen zu halten. Und das wird so lange so bleiben, bis die Europäische Union und / oder China ihre Wirtschaftswende hinbekommen. So lange lastet die Bürde der Rallye auf der US-Wirtschaft, die Quartal für Quartal getestet wird. Die nächste Reise nach Jerusalem beginnt um den 11. Oktober herum, wenn die Wall Street Banken die nächste Berichtssaison eröffnen. Da der Aktienmarkt auf Rekordniveau in die neue Saison hineingeht, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Enttäuschungen und Gewinnmitnahmen überwiegen. Entscheidend ist aber nur, ob die Aktien der Big Techs wieder ins Laufen kommen.
Anleihemarkt preist eine Rezession ein
Die Sicht des Anleihemarktes ist eine komplett andere. Was daran liegt, dass das Chancen- / Risiko-Profil eines Gläubigers anders gelagert ist. Für ihn ist einzig und allein entscheidend, dass am Ende der Laufzeit der Nominalwert getilgt wird und in der Zwischenzeit die fälligen Coupons gezahlt werden. Nicht mehr und vor allem nicht weniger. Ob ein Unternehmen während der Laufzeit stark wächst oder der Staat ein höheres Rating erhält, spielt nur eine nachgeordnete Rolle. Denn die Upside für Gläubiger ist darauf begrenzt, dass er erhält, was vorab (!) vereinbart wurde.
Der Herbst 2023 hatte bereits die Wende am Anleihemarkt eingeleitet. Die Gläubiger haben also gut ein Jahr vorher vorweggenommen, was die Federal Reserve nun aktuell umsetzt. Warum so früh? Weil man Anleihen kauft, wenn man kann, nicht wenn man muss. Und vor 12 Monaten war allen am Markt bewusst gewesen, dass der Anleihemarkt komplett überverkauft war, obwohl die Federal Reserve ihren Zinserhöhungszyklus bereits beendet hatte. Und:
Die amerikanische Zinsstrukturkurve war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahr invertiert. Das kurze Ende stand also über dem langen Ende, was ein klassischer Frühindikator für eine Rezession ist. Wobei gilt: Nicht jede inverse Zinsstrukturkurve führt zu einer Rezession, aber jeder Rezession ging eine inverse Zinsstrukturkurve voraus.
Inverse Zinsstrukturkurve beendet
Die inverse Zinsstrukturkurve wurde nun im August 2024 beendet. Seitdem notieren die Renditen am kurzen Ende (2 Jahre) des amerikanischen Marktes wieder unter dem langen Ende (10 Jahre). Eine Kursbewegung, die aus der klar kommunizierten Ankündigung resultierte, dass die Fed im September den Zinssenkungszyklus beginnen wird. Insgesamt dauerte die Periode der inversen Zinsstrukturkurve damit zwei Jahre und damit so lange wie seit mindestens 47 Jahren nicht mehr. Nicht einmal in der Rezession von 1980 hielt die inverse Zinsstrukturkurve so lange an. Die fiel allerdings damals mit einem Spread von mehr als -200 Basispunkten mehr als doppelt so tief aus wie in der jüngst abgeschlossenen Phase.
Ist das Ende der inversen Zinsstrukturkurve ein bullishes Signal? Ja, für den Anleihemarkt, aber nicht für den Aktienmarkt. Denn das Ende der inversen Zinsstrukturkurve korrespondierte in der Vergangenheit regelmäßig mit dem Beginn der Rezession.
Kurzes Ende wettet auf eine Rezession
Ein anderer interessanter Indikator wurde durch die umfassende Zinssenkung der Fed ausgelöst. Dabei handelt es sich um den Renditenspread zwischen den 12-monatigen und den 3-monatigen Papieren. In der Regel passiert hier relativ wenig, denn die Fed ist in ihrer Kommunikation sehr transparent geworden, sodass es selten zu positiven oder negativen Überraschungen kommt. Negative Überraschungen spiegeln sich in einem negativen Spread wider. Der Markt kauft also plötzlich die längeren Laufzeiten stark auf und drückt damit die Renditen unter die kürzer laufenden 3-monatigen Papiere. Das macht man, wenn man sich das aktuelle Zinsniveau so lange wie möglich sichern möchte, da es in den kommenden 12 Monaten voraussichtlich deutlich darunter liegen wird.
Dieser Indikator hat in den vergangenen 57 Jahren vier Tiefpunkte erlebt: Im Januar 1974, Dezember 1980, Oktober 2000 und Februar 2020. Die Trefferquote als Rezessionsindikator liegt damit bei 100 %. Das letzte Allzeittief wurde im Dezember 1980 mit rund -65 Basispunkten erreicht. In der vergangenen Woche nach der überraschenden großen Zinssenkung der Fed erreichte der Indikator ein neues Allzeittief von -81 Basispunkten.
Ohne Zweifel positionieren sich Aktien- und Anleihemarkt derzeit komplett gegensätzlich. Die Frage ist allerdings, wer am Ende Recht behalten wird.
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