Horsd‘œuvre, Amuse Gueule, Mogntratzerl

Horsd‘œuvre

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber die kleinen appetitanregenden Häppchen zur Eröffnung einer Mahlzeit bescheren einem doch oft die größte Vorfreude. Und genau so ist es auch an den Börsen zum aktuellen Quartalstart. Traditionell reichen die Bankaktien als erste ihre Quartalszahlen als Gruß aus der Börsenküche. Goldman Sachs, JP Morgan oder Citigroup kredenzten keine langweiligen Canapés, sondern ordentliche Appetithappen bei Umsatz und Gewinn.

Und das besonders schmackhafte Mise en bouche des Chipherstellers Taiwan Semiconductor lieferte das nötige Fingerfood, um damit auf den Kaufknopf für Chipaktien zu drücken. Nvidia mit neuem Rekordhoch jenseits der 140 Dollar. Die Sorgen, dass die weltweite Chipnachfrage und der Boom bei Künstlicher Intelligenz vorbei sein könnten, sind damit wieder vom Esstisch. Hatte doch diese Woche ASML den Chipgourmets ordentlich in die Suppe gespuckt und Bauchschmerzen verursacht. Die Börsen weiter in Feinschmeckerlaune mit neuen Allzeithochs bei Dax, Dow Jones und Co. Das notwendige Amuse Bouche dafür lieferte aber eine andere Instanz:

Amuse Gueule

Der Gault Millau der Zinsen, die europäische Notenbank, senkte dieselbigen in dieser Woche um einen weiteren Viertelprozentpunkt und bescherte der Wirtschaft damit eine besondere Gaumenfreude. Wörtlich würde man Amuse Gueule wohl mit „Freude des Mauls“ übersetzen und trifft es damit genau auf den Punkt. Denn regelmäßig hängt man der Notenbank-Sterneköchin Frau Lagarde an den Lippen, um ihren Worten den weiteren Fortgang des Zinsmenüs zu entlocken. Und wenn man den Zinsrestaurant-Kritikern glauben darf, dann sind die aktuellen Zinssenkungen erst die Vorspeise weiterer Gaumenkitzler.

Man könne es sich leisten, denn die europäische Inflation sank in dieser Woche unter das 2 Prozent Ziel auf 1,7 Prozent. Als Gast im Börsengourmettempel begrüße ich die Preisentwicklung, sehe aber den aktuellen Stand weniger als Aperitif auf neue Tiefststände, sondern vielmehr als den Wendepunkt zu wieder üppigeren Gelagen. Auch wenn man Ihnen aktuell Süßes in den Mund legen will, sollten Sie sich in den kommenden Monaten auf Saures vorbereiten. Doch dazu mehr am Ende des Monats. Werden wir wieder bodenständiger:

Mogntratzerl

Oft wird die Sterneküche ja kritisiert, dass die Portionsgrößen mehr einem Spaziergang an der Magenwand gleichen würden oder wie ein gestandener Bayer es wohl formulieren würde: Vo am Mogntratzerl wirst net satt. Genau deswegen dürstet es einen Elon Musk nicht nur nach wiederkehrenden Raketen, die zur Abschussrampe zurückfliegen, sondern auch nach politischen Abschussrampen, die zu politischen Raketen werden. Die Wahlkampfhilfe der Techaristokratie für einen Donald Trump sollte uns mahnen, dass selbst hervorragende Speisen manchmal vergiftet sein können. Schließlich ist das Mogntratzerl kein positiver Begriff für eine Vorspeise, sondern eine Anspielung auf eine Verstimmung in der Magengegend.

Und beim Blick auf die Zutaten für das Börsen- und Wirtschaftsgericht für das kommende Jahr vergeht dem einen oder anderen vielleicht der Appetit. Lassen Sie sich nicht zu sehr tratzen und schauen Sie auch nächste Woche wieder in meiner kulinarischen Kolumne vorbei, wenn ich Ihnen die köstlichsten Börsenkreationen und Wirtschaftsdelikatessen präsentiere.

Ihr Volker Schilling