Business rund um die Welt

Geschäfte machen in japanischen Karaokebars

von Hannes Lustermann

An welchen ausgefallenen Orten werden rund um den Globus eigentlich Geschäfte geschlossen? Stimmt es, das Sie in Japan keinen Vertrag an Land ziehen, wenn Sie nicht in der Karaoke-Bar ihr Bestes geben? Sitzt man in Schweden halbnackt vertraulich in der Sauna beisammen, während über An- und Verkauf gesprochen wird? ZASTER hat recherchiert, was Unternehmer in manchen Teilen der Welt erwartet und worauf sie achten müssen. Wir starten mit: Japan – von Meishis, Tatamis und Karaoke.

Nun stehen Sie, adrett gekleidet, womöglich etwas angeheitert, am Mikrofon. Gleich geht es los. Kleine Schweißperlen bilden sich auf ihrer Stirn. Ihre japanischen Geschäftspartner lauern im für 1500 Euro angemieteten Partyzimmer auf ihre deutschen Volkslieder. Immerhin sind Sie nicht in einer Kneipe gelandet – mit noch mehr Menschen. Gleich flimmern die ersten Songzeilen über den Bildschirm. Ihnen flimmert es ganz woanders. „Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen?“ fragt ihre innere Stimme. Weil Sie nicht anderes konnten – so werden berufliche Kontakte in Japan nunmal hergestellt und gepflegt.

Karaoke-Bars stehen, wie in anderen asiatischen Nachbarländern auch, hoch im Kurs und dienen sowohl zum privaten als auch professionellen Netzwerken. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie im Laufe der Verhandlungen, oder in selteneren Fällen nach deren gelungenem Abschluss, in einer Karaoke-Bar am Mikrofon landen und sich beweisen müssen.

Doch bis dahin müssen Sie erst einmal kommen. Sie können sich das in etwa so vorstellen, wie es der Japanknigge der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan erläutert: Japaner achten sehr auf ein gepflegtes Äußeres und noch vielmehr auf höfliches Auftreten – der geschäftliche Umgang ist deutlich formeller als in anderen Ländern. Dabei geht es nicht darum, zu protzen, sondern Wertschätzung und professionellen Respekt auszudrücken, indem in Aussehen und Annehmlichkeiten investiert wird. Achten Sie dabei vor allem auf ihre Socken, denn auf den Tatami-Matten in traditionellen Restaurants und Hotels (Ryokan) müssen Sie sich ihrer Schuhe entledigen. Zu ihrem Erscheinungsbild als Geschäftsmann gehören unweigerlich auch hochwertige Visitenkarten (Meishi), welche zeremoniell mit beiden Händen überreicht und entgegengenommen werden.

Nach einem anfänglichen Treffen in den Geschäftsräumen und der Erörterung der anstehenden Besprechung, gefolgt vom anschließenden Essen, droht Ihnen nun die eingangs erwähnte Karaoke-Bar. Eine Ablehnung ist keine Option, wie der Business-Knigge Japan bescheinigt. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Berufliches und Privates in Japan streng getrennt wird. In der ausgelassenen Atmosphäre einer Karaoke-Bar und begleitendem Alkoholgenuss werden die geschäftlichen Höflichkeitsregeln außer Kraft gesetzt und der Austausch wird direkter und lebhafter. So haben Sie und ihr Geschäftspartner Gelegenheit, die professionellen Absprachen durch private Verbundenheit zu stärken. Im Anschluss können dann Verträge und Vereinbarungen geschlossen werden.

Jetzt auf den Schreck noch ein Sake! 
Der traditionelle japanische Reiswein soll es richten. Nachdem Sie zuvor sehr enthusiastisch „Viva Colonia“ von den Höhnern vorgetragen haben – was keiner kannte und dennoch alle erfreute, durften Sie noch „Atemlos“ von Helene Fischer schmettern. Das hatten Ihre japanischen Geschäftspartner vorher als DEN deutschen Pop-Hit ausfindig gemacht.

ein Artikel von
Hannes Lustermann