Empor, Empört und Empirisch

Empor

Kein anderes Wort könnte die abgelaufene Woche besser beschreiben. Irgendwie steigt alles: Die US-Inflationszahlen auf sagenhafte 6,2%, der Bitcoin auf 69.000 US-Dollar, der Goldpreis über 1.800 US-Dollar und die Aktienmärkte auf neue Allzeithochs. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der reale Zins in den USA für 10-jährige Anleihen bei minus 4,6% und damit so tief wie zuletzt 1974 liegt. Und die Tatsache, dass jetzt US-Präsident Biden eine Task Force zur Inflationsbekämpfung ins Leben ruft, zeigt nur eines: Es geht weiter empor. Rechnen Sie bis zum Jahresende mit weiter steigenden Zahlen. Noch erstaunlicher: Die US-Zinsen reagierten kaum. Das kann und darf nicht sein. Die Geschichte des Basiseffektes als vorübergehende Erscheinung ist ein schönes Märchen in Anbetracht der munter steigenden Inputfaktoren wie Energie, Löhne und Mieten. Noch möchte der Markt aber an dieses Märchen glauben und befindet sich im Dämmerschlaf wie bei einer Gute-Nacht-Geschichte. Nur ein Emporkömmling weiß, wie man es richtig macht und jetzt besser mal Aktien verkauft, um Steuern zu zahlen: Elon Musk. Der hat diese über Twitter abstimmen lassen, ob er zur Steuerzahlung 10% seiner Teslaaktien veräußern soll. Und da seine Follower mit einer Mehrheit dafür stimmten, werden wohl demnächst 20 Mrd. US-Dollar veräußert. Das bewegt die Aktie und damit auch wieder die Gemüter der Börsenaufsicht SEC, der Elon Musk hoch und heilig versprochen hatte, keine kursbeeinflussende Tweets mehr zu senden. 

Empört

Empört und verstört reagieren die Börsianer weltweit, welche am größten US Börsengang dieses Jahres nicht teilgenommen haben. Wie kann es sein, dass ein Elektro-Pick-Up-Hersteller 12 Mrd. US-Dollar neues Geld einsammelt, nach dem Börsengang mit einem Wert von über 100 Mrd. US-Dollar an der Börse bewertet wird und keinen einzigen Cent verdient? Im Gegenteil, das Unternehmen hat im ersten Halbjahr 1 Mrd. US-Dollar verbrannt und noch keinen wirklichen Umsatz in der Bilanz gezeigt. Ganz anders das Bankenkonsortium aus 20 Banken, die bei einem Kurs von 72 US-Dollar pro Aktie an diesem Börsengang äußerst prächtig verdient haben. Oder die Aktionäre, die bei 72 US-Dollar eingestiegen sind und den Kurs der Aktie am ersten Tag gleich mal bis auf 1.20 US-Dollar geschoben haben. Ach ja, Rivian heißt der neue E-Mobility-Spieler übrigens. Auf Pick-Ups spezialisiert, scheint genau dieser Begriff wohl am besten zur aktuellen Euphorie der Aktionäre zu passen. Meine aktuellen Beobachtungen und Erfahrungen zum Markt für Börsengänge sind dazu etwas konträr und deshalb wäre ich vorsichtig. Dies zeigt auch die Empirie:

Empirisch

Indizes auf Börsengänge, sogenannte IPO-Indizes, weisen keinen signifikanten Mehrwert gegenüber einer klassischen Börsenstrategie aus. Alleine die Tatsache, dass man schon beim Börsengang dabei war, reicht eben nicht. Zu viele IPOs sind an der Börse danach Rohrkrepierer. Empirisch lässt sich aber sehr gut sagen, dass eine funktionierende und genutzte Infrastruktur ein guter Indikator für wirtschaftliche Erholung und Wohlstand ist. So ist die Wiederaufnahme der transatlantischen Flüge diese Woche nicht nur ein gutes Signal an die Airlines, Buchungsplattformen für Hotels, Wohnungen, Mietfahrzeuge und Fahrer, sondern auch ein Fingerzeig weiterer wirtschaftlicher Erholung inmitten der aktuellen Coronawelle. Empirisch gesehen hilft dagegen übrigens Impfen sehr gut und vielleicht demnächst auch ein Medikament von Pfizer, welches – nach eigenen Angaben – Todesfälle und lange Krankenhausaufenthalte nach einer Covid-Infektion um 89% reduzieren soll. Das sind doch gute Nachrichten, mit denen ich Sie ins Wochenende schicke.

Ihr Volker Schilling