Die Welt nach der Wahl

Die Börse will einen Republikaner im Weißen Haus sehen. Darauf liegt aktuell der komplette Fokus sowohl am Kapitalmarkt als auch in der Fachpresse. Der Haken ist jedoch, dass neben dem neuen Präsidenten auch das Repräsentantenhaus und Teile des Senats neu gewählt werden. Und im Vergleich zu der Präsidentschaftswahl dauert die Auszählung der Stimmen für die beiden Häuser des Kongresses traditionell sehr lange. 

Einige Bundesstaaten, wie beispielsweise Kalifornien, brauchen üblicherweise viel Zeit, um ein bestätigtes Ergebnis zu veröffentlichen. Hier kam es regelmäßig zu zeitraubenden Neuauszählungen und Stichwahlen, wenn die Kontrahenten zu eng beieinanderlagen. Es gab Wahlen in der Vergangenheit, da stand die neue Zusammensetzung des Kongresses erst Mitte Januar final fest. Und zu wissen, wer die Mehrheit im Kongress hat, ist von Bedeutung, denn: 

Ein US-Präsident ohne den Kongress hinter sich, ist eine „lahme Ente“, wie es die Amerikaner nennen. Die Macht in Washington ist von den Gründervätern fein ausbalanciert worden. Im Kern ist sie verteilt auf drei Zweige der Regierung: das Weiße Haus, das Repräsentantenhaus und den Senat. Durchregieren kann eine Partei nur, wenn sie in allen drei Häusern die Mehrheit hat. 

Das Weiße Haus braucht den Kongress

Fehlt nur eines der Häuser, ist man zu Gesprächen und Kompromissen mit der gegnerischen Partei gezwungen. Zum Zeitpunkt der Wahl halten die Demokraten das Weiße Haus und den Senat, während die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Präsident Biden, der 2020 einen klaren Vorsprung im Electoral College (Wahlmännerkollegium) gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump gewann, wurde daher bei den meisten seiner Gesetzesinitiativen ausgebremst und musste diese so lange verwässern, bis die Republikaner im Repräsentantenhaus mitgezogen haben. 

Manchmal erfuhr die Administration Biden auch freundliches Feuer aus dem Senat. Der Parteikollege Joe Manchin nutzte zum Beginn der Administration Biden seine Macht im Senat als Zünglein an der Waage, um seine eigene Agenda durchzusetzen, womit er Präsident Biden mehr als einmal in den Rücken fiel und dessen politische Ziele zum Entgleisen brachte. Ein Problem der Vergangenheit, denn Manchin tritt nicht wieder zur Wahl an. Das neue Problem wird sein, ob die Demokraten den Sitz von Manchin in West Virgina halten können, denn der Bundesstaat wählt traditionell den republikanischen Kandidaten. 

Mehrheiten im Kongress können wechseln

Im Senat steht das Stimmenverhältnis bei 51 (Demokraten plus Unabhängige) zu 49 (Republikaner). Bei einem Patt entscheidet der Vizepräsident mit seiner Stimme den Wahlausgang. Die Republikaner müssen also nur einen zusätzlichen Sitz im Senat gewinnen, wenn Trump der 47. Präsident der USA wird, und zwei Sitze, wenn Kamala Harris gewinnt. Insgesamt müssen die Demokraten im Senat 23 Sitze verteidigen und die Republikaner nur 11 Sitze. Sieben Sitze stehen auf der Kippe, der Rest gilt als sicher. 

Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner nur eine hauchdünne Mehrheit vor den Wahlen. In einem Haus mit 435 Sitzen beträgt die Mehrheit der Republikaner lediglich 220 Sitze zu den 212 Sitzen der Demokraten. Ein Wechsel im Unterhaus ist somit ohne Weiteres denkbar, auch wenn die Fronten weitgehend verhärtet sind. Die Erwartung im Vorfeld ist, dass beide Parteien sicher mit 200 Sitzen rechnen können. Der Rest ist offen bis zu den finalen Wahlergebnissen. 

Trotz der hohen Bedeutung des Kongresses steht für den Kapitalmarkt die Präsidentenwahl im Mittelpunkt. Denn vom Weißen Haus gehen die politischen Initiativen aus, die das Land verändern können. Der Kongress moduliert diese Initiativen dann, aber initiiert selten eigene politische Vorstöße. Daher macht es für die Wall Street (und den Rest der Welt) einen großen Unterschied, wer die Administration anführt. 

Drei Pfeiler definieren eine Administration Trump

Trump haben wir bereits im Amt erlebt. Die erste Präsidentschaft wirkt im Hinblick auf die politischen Ziele sehr improvisiert und aus der Hüfte geschossen. Was ohne Zweifel daran lag, dass Trump selbst nicht damit gerechnet hatte, dass er gewinnen wird. Das sieht dieses Mal ganz anders aus. Die Republikaner sind ausgezeichnet darauf vorbereitet, ihre politische Agenda schnell umzusetzen, wenn sie gewinnen sollten. Neben zahlreichen Nebenzielen liegt der Fokus im Wesentlichen auf drei Themenbereichen: 1) Steuersenkungen, 2) Deregulierung und 3) die Implementierung einer bilateralen und transaktionsorientierten Außenpolitik. 

Die Steuerpolitik würde der dominierende Pfeiler einer Trump Administration sein. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem der Tax Cuts and Jobs Act (TCJA), den Trump in seiner ersten Amtsperiode durchsetzte. Teile davon werden regulär 2025 auslaufen, was automatisch zu Steuererhöhungen führen würde. Das wollen die Republikaner verhindern und die Steuersenkungen für die Zukunft permanent machen, gepaart mit zahlreichen anderen Steuersenkungsvorhaben und Abschreibungsmöglichkeiten. 

Das Thema Regulierung fokussiert sich vor allem auf die Finanz- und Energiebranchen. Beide zählen neben der Informationstechnologie zu den größten Gelddruckmaschinen der Wirtschaft. Darüber hinaus bieten sie der US-Regierung die Möglichkeit, indirekt politischen Einfluss auf andere Länder zu nehmen. Diese Kräfte will Trump maximieren, indem man die beiden Branchen in Zukunft von ihren Fesseln befreit, damit sie sich wieder frei entfalten können. 

Die klassische amerikanische Außenpolitik würde Trump komplett auf Links drehen. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges haben die Amerikaner die Außenpolitik genutzt, um ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu maximieren, indem man ein komplexes Geflecht aus Kooperationen und multilateralen Entitäten schuf, die mit der Unterstützung der Partner auch die implizite Verpflichtung brachte, die Interessen der Amerikaner auf allen Ebenen zu fördern. 

Trump hingegen ist bilateral orientiert, arbeitet also nicht mit Institutionen wie dem IWF, der Weltbank oder den Vereinigten Nationen, sondern greift zum Hörer und verhandelt direkt mit seinem Gegenüber, wenn dieser wichtig genug ist. Für alle anderen würde Trump im klassischen Stil einer Monarchie Hof halten und sich umwerben lassen. Der Verhandlungsstil ist dabei einfach und einprägsam: Zuckerbrot und Peitsche, wobei das Zuckerbrot aus dem Erhalt des politischen und wirtschaftlichen Status Quo und die Peitsche aus dem Verlust des Status Quo besteht. 

Trump Kurs sehr wirtschaftsfreundlich

Abstrakt gesprochen besteht der Trump-Trade im Wesentlichen aus Aktien long, Anleihen short, Krypto long und Dollar long. Dabei reichen die Profiteure von kleinen und mittleren Banken über Versicherungen, Private Equity und Private Debt Gesellschaften, Energiekonzernen bis hin zu privaten, börsennotierten Gefängnisbetreibern. Auch die klassischen Versorger würden von einer Absage an die internationalen Klimaziele profitieren, während Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien das Nachsehen hätten. Der Anleihemarkt ist skeptisch, denn unter einer Administration Trump würde im Zweifel die Verschuldung des Staates noch einmal erheblich ausgeweitet, was mit der bilateralen Außenpolitik kollidiert. Denn die USA sind traditionell auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen, um den Preis ihrer Verschuldung niedrig zu halten. 

Die Beurteilung einer möglichen Administration Harris fällt deutlich schwerer. Die Präsidentschaftskandidatin ist bis zum Wahltag Details ihrer zukünftigen Politik schuldig geblieben, weswegen die Einschätzung etwas vage bleiben muss. Fakt ist, dass die Steuern für Leistungsträger und Unternehmen deutlich erhöht werden sollen. Familien mit einem Einkommen von weniger als 400.000 US-Dollar pro Jahr sollen von den Steuererhöhungen ausgenommen werden.

Gefördert werden soll der Kauf von Immobilien zur eigenen Nutzung mit bis zu 25.000 US-Dollar. Unternehmensgründern versprechen die Demokraten eine Erhöhung der Abschreibungsmöglichkeiten. Pharmaunternehmen und Krankenversicherungen sollen Grenzen gesetzt werden, was sie verdienen dürfen, um die ausufernden Kosten im Gesundheitssystem einzudämmen.

Bau und grüne Unternehmen zählen zu den Harris Favoriten

Der Kreis der Gewinner an der Wall Street wäre unter einer Administration Harris sehr überschaubar. Definitiv würden die Bauunternehmen eine Sonderkonjunktur erfahren, denn neue Subventionen von bis zu 25.000 US-Dollar pro Immobilie, würden das Preisgefüge in der Branche um diesen Betrag erhöhen. Ganz klar bevorteilt würden auch alle Unternehmen, die im Geschäft mit erneuerbaren Energien sind. 

Zu den expliziten Verlierern würden aber die Big Techs zählen, da sie die Steuererhöhungen am härtesten treffen würden. Diese Gruppe trägt bekanntlich den Löwenanteil zu den Gewinnen im S&P 500 und Nasdaq 100 Index bei. Dasselbe gilt auch analog für die großen Energiekonzerne und die Wall Street Banken. Die Pharmabranche und die Krankenversicherungen dürften ebenfalls einen deutlichen Einschnitt bei ihren Margen erleben, wenn die Administration Harris sich mit ihren politischen Zielen durchsetzen würde. 

Die kommende neue Ausrichtung der amerikanischen Politik muss aber immer im Kontext der Konjunkturentwicklung gesehen werden. Generell gesprochen hat die Konjunkturentwicklung einen wesentlich größeren Einfluss auf die Wall Street als das Weiße Haus. Aber die neue Administration wird in jedem Fall mit ihren Initiativen die Stimmung am amerikanischen Kapitalmarkt steuern, die erhebliche Auswirkungen auf die Bewertungen der Assets haben kann. Insofern werden die kommenden Tage und Wochen ausgesprochen spannend für alle Börsianer. 

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