Wie glücklich macht Geld?

Der wunderbare Maler, der mit seiner Kunst nichts verdienen will

von Moritz Weinstock

Der Herbst ist keine Jahreszeit, in der man sich verkriechen muss. Das hat ZASTER-Kolumnist Frank Behrendt schon früh gelernt. Wie reizvoll das Spiel der Farben in der Natur ist, weiß aber auch ein Maler, den er bei einem Spaziergang trifft.

Ich kenne viele, die dem Sommer hinterhertrauern. Manche flüchten jetzt dorthin, wo es noch wärmer ist. Meine Großmutter liebte alle Jahreszeiten gleich und wir bekamen stets einen Spruch zu hören, wenn wir über das Regenwetter motzten: „Nur weil der Himmel weint wisst ihr zu schätzen, wie schön es ist, wenn die Sonne wieder lacht.“ Seitdem mag ich auch den Herbst. Als Kinder sammelten wir Blätter und klebten daraus eine Collage. Ich habe damals ein Herz aus dem getrockneten gold-gelben Baumschmuck auf ein Blatt Papier geklebt. Es hing viele Jahre im Arbeitszimmer meiner Eltern. Nun gehe ich morgens sehr gerne mit dem Hund durch den Herbstwald. Wenn der Wind den herabfallenden Blättern noch mal Auftrieb verleiht, versucht unsere kleine französische Bulldogge sie zu erhaschen, immer wieder ein amüsantes Schauspiel.

Kürzlich traf ich dort einen älteren Herrn mit einem Skizzenblock. Er saß auf einer Bank und malte den farbenprächtigen „Fieberbaum“ aus dem Senegal, wie Spaziergängern auf einer kleinen Tafel vor dem Stamm mitgeteilt wurde. Der Mann gestaltet Bilder zu Gedichten, als Geschenk für seine Frau. Zu Weihnachten bekommt sie das „Oktoberlied“ des Dichters Theodor Storm. Der Herr mit der grünen Allwetterjacke rezitierte im Wald die Lieblingspassage seiner Frau:

Der Nebel steigt, es fällt das Laub, schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag vergolden, ja vergolden. Wohl ist es Herbst; doch warte nur, doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Himmel lacht, es steht die Welt in Veilchen.

Passage aus dem Oktoberlied von Theodor Storm

Ich war beeindruckt. Wie viele Gedichtbilder er ihr denn schon gemalt hat, wollte ich wissen. „Sechsunddreißig“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Ich blickte auf die Skizze, die der Mann mit geschickter Hand erstellt hatte. Ich fragte ihn, ob er schon mal daran gedacht hatte, mit dem Verkauf seiner zauberhaften Meisterwerke Geld zu verdienen. Er lächelte milde und schüttelte den Kopf: „Nein, die male ich nur aus Liebe und die kann man nicht kaufen.“

ein Artikel von
Moritz Weinstock
Moritz hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und seine Leidenschaft fürs Schreiben mit nach Berlin gebracht. Nach lehrreichen Jahren als Redakteur bei einem Motorradmagazin, ist er nun als Channel-Editor für ZASTER tätig. Sein Zugang zur Wirtschaftswelt: er lebt auf zehn Quadratmetern und spart, was das Zeug hält.