ANGELEGT!

Lockerungsübungen: Die triste Zukunft der Gastronomie

von Marcus Lucas

Die Restaurants dürfen wieder öffnen – mit teils absurden Auflagen. ZASTER-Kolumnist Leonhard Fischer betrachtet die Folgen des Shutdown und der nun ebenso strengen Lockerung auf eine essentielle Branche.

Es ist die Zeit der Lockerungsübungen. Wenn wir uns gut benehmen und irgendeine Kennzahl – die sich eh regelmäßig ändert und zudem wie auch immer, auf jeden Fall nicht wirklich nachvollziehbar berechnet wird – ein wie auch immer definiertes Niveau erreicht und behält, dann bekommen wir einen Teil unserer Freiheit zurück! Allerdings nicht, ohne jeden Tag gewarnt zu werden, dass man uns das alles ganz schnell wieder wegnehmen muss, wenn dann endlich die schon mehrfach prognostizierte exponentielle Welle kommt.

Zu diesen Lockerungen gehört nun schließlich auch, dass Restaurants wieder geöffnet werden sollen. Na endlich. Die vermeintlich wissenschaftliche Begründung für ihre totale Schließung war ja von Anfang an etwas schwammig, aber jetzt gilt nur noch: Ende gut, alles gut!

Doch freut Euch nicht zu früh. Denn die vermeintliche Öffnung der Restaurants geht einher mit einer Regulierungsfreude, wie sie nur Behörden einfallen kann. Ganz klar ist zunächst mal, dass Ihr Name, Adresse, Telefon und E-Mail hinterlassen müsst, um überhaupt eine Bestellung aufgeben zu dürfen. Aber das mit Datenschutz und so interessiert ja heute eh keinen mehr. Also geschenkt. Dafür darf man sich dann doch erst recht auf ein wirklich gutes Abendessen in schöner Atmosphäre freuen. Essen zu gehen, das ist ja oft auch ein kleiner Urlaub vom Alltag.

Übrigens ist dem Staat besonders zum Thema „Atmosphäre“ viel eingefallen: Der neuerdings geforderte Mindestabstand sorgt dafür, dass in der Regel nur noch ein Drittel der Gäste erlaubt ist. Der Service erfolgt mit Mundschutz und es heißt, dass die Gäste bis zum Platznehmen oder nach dem Aufstehen auch wieder die Vermummungspflicht beachten müssen.

Na ja, sagt man sich, dann eben ganz schnell eine Flasche Wein bestellen, um sich die Lage schön zu trinken. Doch seid gewarnt: die Restaurants sind aufgefordert, Gäste davon abzuhalten, sich ZU gut zu amüsieren, was auch immer das genau bedeuten mag.

Vergessen wir mal für eine Sekunde, ob man wirklich Lust auf ein solches Erlebnis hat. In China, so die ersten Informationen, sollen die Restaurants ja leer bleiben. Irgendwie ist den Leuten wohl der Appetit vergangen. Mich interessiert noch mehr, wie das eigentlich enden soll.

Gastronomische Betriebe waren in den letzten Jahren einer der wichtigsten Füller jener Lücken, die der langsam sterbende Einzelhandel in den Innenstädten hinterlässt. Mir ist völlig unklar, wie eine Branche mit geringen Margen und hohen Fixkosten eine vermeintliche Öffnung überleben soll, wenn die Restaurants faktisch leer bleiben müssen.

Ehrlich gesagt frage ich mich zunehmend, ob es sich für die meisten Betriebe überhaupt lohnt, zu diesen Bedingungen aufzumachen. Und wenn sie es tun: wie lange sie das überleben können. Die große Gefahr für uns ist, dass Einzelhandel und Gastronomie das wissenschaftliche Experiment namens Shutdown nicht gut verkraften werden. Das hätte nicht nur dramatische Auswirkungen auf einen Arbeitsmarkt, der in den letzten Jahren zunehmend vom starken Wachstum in bürgernahen Dienstleistungen, wie Tourismus, Gastronomie und Unterhaltung profitiert hat, sondern außerdem auch auf unsere Innenstädte.

Wenn der Staat nach nur wenigen Wochen den ja anscheinend so famos gemanagten Konzernen Milliarden besorgt, dann wäre es mal an der Zeit, über diese anderen Branchen nachzudenken. Sie haben vielleicht nicht so eine effektive Lobby in Berlin, aber zugenagelte Geschäfte und Restaurants in den Innenstädten werden viel mehr als nur ein ästhetisches Problem hinterlassen.

ein Artikel von
Marcus Lucas