In Zeiten größter Unsicherheit, wie genau jetzt, gibt es zwei wichtige Regeln der Entscheidungsfindung.
Erstens: Man sollte sowohl Selbstüberschätzung als auch Panik als Grundlage für Beschlüsse vermeiden.
Zweitens: Man sollte die getroffenen Entscheidungen ständig kritisch hinterfragen.
Das Letztere ist besonders schwer. Man denke an das Mark Twain zugeschriebene Bonmot „Ich mag Kritik, aber sie muss zu meinen Gunsten ausfallen“. Deshalb wird auch von höchster Stelle vor Diskussionsorgien gewarnt. In den entscheidenden Wochen im Februar hat die westliche Elite anders als die Demokratien Asiens das Virus aus China komplett verschlafen. Eine Selbstüberschätzung, wie wir schmerzlich lernen mussten.
Danach kam die Panik und überhastete Shutdowns mit noch gar nicht abschätzbaren Folgen für unsere Wirtschaft – und ja, auch unsere Gesundheit. Noch schlimmer: Während wir uns wochenlang Angst um die Klopapierversorgung hatten und ein staatliches Hilfspaket nach dem anderen angekündigt wurde, wird es in vielen armen Teilen der Welt um alles gehen. Es drohen humanitäre Katastrophen mit Millionen Toten als Folge von Hungersnöten und Epidemien jenseits von Corona.
Unsere Entscheidungen wiegen also sehr, sehr schwer – und einen risikolosen Weg gibt es nicht. Alles wird noch komplizierter dadurch, dass unsere Diskussionen um das Für und Wider der diversen Wege nach vorne eingebettet sind in eine Kakophonie von Expertenmeinungen. Und umrahmt von Horrorzahlen der undurchsichtigen Vorhersage-Modelle anderer Experten.
Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, die bisherigen Vorhersagen und Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Doch das Interesse daran hält sich in engsten Grenzen. Im Gegenteil, es drängt sich der Eindruck auf, dass viele sich nichts mehr wünschen, als dass das schwedische Modell doch bitte komplett scheitert. Der Weg Schwedens zeichnet sich übrigens nicht dadurch aus, dass er Social Distancing ablehnt. Nein, es ist die Ruhe, der Mut und die demokratische Souveränität dieses Ansatzes, die anscheinend vielen Angst und Schrecken einjagen.
Was immer in Schweden passieren mag: Niemand weiß heute wirklich, wie wir Öffnung und Einschränkung – also Stützung unser Existenzgrundlage und Kampf gegen das Virus – richtig abwägen. Vergleichen wir allerdings die Zahlen Schwedens mit England, Frankreich, Spanien und Italien ist es zumindest fraglich, wieviel die harten Shutdowns am Ende überhaupt gebracht haben. Keiner von uns weiß genau, was das Richtige ist. Außer unser Außenminister vielleicht, der deshalb jetzt schon verkündet, dass die Grenzen in Europa auf Monate mehr oder weniger geschlossen bleiben müssen.