ANGELEGT!

Warum die Coronakrise die USA stärker machen wird

von Marcus Lucas

Glaubt man den meisten Medien, dann ist die USA der große Verlierer der Coronakrise. ZASTER-Kolumnist Leonhard Fischer ist da ganz anderer Meinung…

Verfolgt man die Nachrichten in Deutschland, dann scheint festzustehen: Die Amerikaner sind von Corona am stärksten betroffen. Sie, so das gängige Narrativ, kommen mit der Krise überhaupt nicht klar und verlieren damit endgültig ihren Führungsanspruch. Und dann ist da natürlich noch dieser merkwürdige Präsident.

Es fällt nun schon seit Jahren auf, wie die Medien ihre Trump-Verachtung zum Maßstab ihrer Bewertung Amerikas machen. Das ist aber grandios falsch. Wer zu viele dieser Tiraden gelesen hat und – noch schlimmer – sie sogar für bare Münze nimmt, hat schon seit Jahren verpasst, als Anleger von der Stärke der amerikanischen Wirtschaft zu profitieren.

Am 20. Januar 2017, dem Tag der Vereidigung Donald Trumps als Präsident der Vereinigten Staaten, schloss der S&P Index bei 2271 und der DAX bei 11630. Der Schlussstand der beiden Indizes in dieser Woche war 2830 (plus rund 25%) beziehungsweise 10861 (minus rund 6.5%) Punkte.

Und so gleich vorweg meine These: Amerika wird, Trump hin oder her, mittelfristig relativ gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Dabei ist es keine Frage, dass Corona die USA schwer trifft und den Präsidenten seine schon fast sicher geglaubte Wiederwahl kosten kann.

Doch zunächst einmal stimmt es eben nicht, dass die USA stärker vom Virus betroffen sind als wir. Und mit „wir“ meine ich Europa, auch wenn man angesichts geschlossener Grenzen glauben könnte, dass es die EU gar nicht mehr gibt. Die USA mit ihren über 320 Millionen Einwohnern kann man eben nicht mit irgendeinem europäischen Staat vergleichen. Dort gibt es über 60.000 Opfer zu beklagen, in Europa über 100.000.

Warum diese Krise die USA eher stärker als schwächer machen wird?

1
Der Dollar

Wenn die turbulenten Märzwochen an den Kapitalmärkten eines gezeigt haben, dann dass der Dollar nach wie vor die uneingeschränkte Leitwährung der Welt ist. Die amerikanische Zentralbank, die FED, musste den Zentralbanken rund um die Welt hohe Dollarlinien einräumen, um das Schlimmste zu verhindern. Fast die ganze Welt brauchte Dollar und suchte Dollar. Der Status des Dollar als Weltreservewährung ist in der Krise eben gestiegen und nicht gefallen. Was wäre auch die Alternative? China kann man nicht trauen. Und der Euro? Niemand weiß bis heute wirklich, ob es ihn in fünf Jahren noch gibt.

2
Digitalisierung und Innovationskraft

Wo haben wir angesichts der geschlossener Städte in den vergangenen Wochen eingekauft? Bei Amazon. Auf welchen Plattformen werden die Sozialkontakte gepflegt, die Videokonferenzen organisiert oder das Internet durchsucht? Bei Facebook, Zoom und Google. All unsere Fotos, Musik und Filme: Wo werden die gespeichert? In den Clouds von Amazon und Microsoft. Nebenbei bemerkt verdient Amazon sein großes Geld genau mit diesen Cloud-Kapazitäten. Ach ja, bevor ich es vergesse: Wer hat unsere Unterhaltung im schier endlos anmutenden Shutdown gestreamt? Netflix, Disney, Apple und – schon wieder – Amazon. Und dann ist da noch diese selbst mir merkwürdige Sache mit Tesla: Ein nicht einmal 20 Jahre altes Automobilunternehmen, das zur Zeit an der Börse mehr wert ist als BMW, Daimler und VW zusammen. Von Apple und seinen riesigen Gewinnen will ich gar nicht sprechen. Die nackte Wahrheit ist leider, dass wir noch niemals in unserer Wirtschaftsgeschichte so abhängig waren von einer Handvoll großer Konzerne. Und keines dieser Konzerne hat seinen Sitz in Europa. Q.E.D.

3
Die Stärke der amerikanischen Institutionen

Es ist keine Frage, dass in den USA zur Zeit einiges falsch läuft. Dazu gehört die verbittert geführte Auseinandersetzung zwischen den beiden großen politischen Lagern, die sich jetzt im Vorwahlkampf aufs Neue zeigt. Doch sollte das nicht den Blick davon ablenken, dass die amerikanische Demokratie funktioniert und ihre Institutionen vollkommen intakt sind. Hinzu kommt die enorme und fast alleinstehende Stärke ihres Militärs, ohne deren Schutz Europa völlig hilflos wäre.

Lasst mich aus diesen Argumenten einmal einen Umkehrschluss ziehen. Wir sind heute abhängiger von den USA als vor 30 Jahren. Um es medizinisch auszudrücken. Bekommt Amerika Fieber, landen wir auf der Intensivstation.

Darum sollte eines jedem Anleger klar sein: Ob an den Börsen, bei den Rohstoffen oder den Devisenkursen: Ohne die USA läuft auf absehbare Zeit nichts. Also: Wer Aktien kauft, muss hoffen, dass die USA die Krise meistern.

Ich für meinen Teil glaube das. Und wir Europäer? Neben der Europäischen Zentralbank, die mit ihrem erfrischend angelsächsisch anmutenden Pragmatismus den ganzen Laden noch zusammenhält, wirken die anderen europäischen Institutionen, wie Kommission und Parlament, als seien sie im Corona-Home-Office verloren gegangen.

Der neue Schlachtruf der europäischen Politik ist in diesem Sommer wohl: Deutsche Wälder den Deutschen, spanische Strände den Spaniern und italienische Städte den Italienern. Es gibt nicht mal den Ansatz einer gemeinsamen Strategie gegen das Virus, und die geschlossenen Grenzen sind ein Menetekel, dass auch von den Billionen der EZB nicht kompensiert werden kann.

Von der grotesken Diskussion über Coronabonds ganz zu schweigen. Wir müssen hoffen, dass die EU in nicht all zu ferner Zukunft wiederaus dem Coronaschock erwacht. Sonst landet unsere Wirtschaft am Ende noch auf der Intensivstation. Selbst wenn Amerika nur einen Schnupfen hat.

ein Artikel von
Marcus Lucas