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Auswandern: Was kostet das Leben in Frankreich?

von Michael André Ankermüller

Pauline arbeitete früher in der Werbung und wagte einen totalen Berufswechsel, als sie nach Frankreich ausgewanderte. „In Toulouse sagt man“, so Pauline, „entweder du arbeitest bei Airbus oder du bist arbeitslos.“ Und so ist Pauline bei einem Subunternehmer von Airbus gelandet. Da immer noch wenig Franzosen mehrere Sprachen sprechen, hatte sie das Glück im Delivery Center zu landen, um den Airbus A320 an internationale Kunden auszuliefern.

1. Warum bist Du nach Frankreich gegangen und was hält Dich dort?

Der Klassiker: Die Liebe! Ich habe meinen Mann in Hamburg kennengelernt, der dort für seinen Job auf Mission war. Aus den geplanten sechs Wochen, wurden zwei Jahre. Da er schon Kinder hatte, die auch noch recht jung waren, war irgendwann die Entscheidung da, nach Frankreich zurückzugehen.

Da ging ich dann mit. Ich sprach damals kaum Französisch, noch hatte ich dort einen Job, noch war ich erst fröhliche 20 Jahre alt.

Ich habe mir ein Jahr gegeben, um einen Job zu bekommen und knapp vor Ablauf dieser Frist einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Und nun sind es schon 10 Jahre, die ich in Toulouse lebe. Vor allem das Licht, der kurze Winter und die Nähe zum Meer und zum Atlantik möchte ich nicht mehr missen.

2. Was können die Deutschen von den Franzosen lernen? Und möglicherweise andersherum?

Die Liebe zu Lebensmitteln.

Franzosen lieben gutes Essen. Immer. Nicht nur zu Feiertagen. Und dafür sind sie bereit Geld auszugeben. Sie essen gerne regional, saisonal und kaufen gerne Sonntags auf dem Markt oder direkt vom Produzenten. (Franzosen gehen recht ungerne zu Discountern wie Aldi oder Lidl. Für sie haben die dortigen Lebensmittel keine Qualität.)

Im Anschluss an den Marktbesuch wird stundenlang gegessen. Mit Freunden, mit der Familie. Und alles in einem entspannten Miteinander. Da gibt es keine Zeit, nur Genuss. In den Restaurants gibt es immer eine Formel. Entweder nur Entrée und Hauptgang oder Hauptgang und Dessert oder alles. Und das zur Mittagszeit! Daher sind Mittagspausen in Frankreich auch heilig. Sie dauert offiziell 1 Stunde, aber wenn es drüber ist, stört es auch keinen. Man war ja Essen.

Ich bin zwar gegen Stereotypen, aber man kann wohl Folgendes sagen: Der Franzose könnte die direktere Art der Kommunikation der Deutschen übernehmen. Franzosen reden viel um den heißen Brei und sagen eigentlich nix. Da verliert man Zeit und es bringt die Sache auch nicht voran. Gerade ich als Nordlicht, komme da immer noch nicht mit zurecht. Und brüskiere den Franzosen oft mit meiner sehr offenen und direkten Art.

3. Welche 3 Tipps würdest du einem Deutschen geben, der auch nach Frankreich auswandern will?

Ehrlich gesagt: Ich habe keinen Tipp! Jeder Mensch ist anders. Selbst die Sprache kann man lernen, wenn man gewillt ist. Das erleichtert sicherlich einiges, wenn man schon Französisch spricht, aber einen Job hat man deshalb immer noch nicht. Man muss es wollen und nicht zu verklärt sein. Denn dort leben, wo man sonst nur Urlaub macht, ist dann eben kein Urlaub mehr. Das vergessen viele Menschen.

Hier gibt es genauso viel Bürokratie, wenn nicht sogar mehr, nervige Leute und schlechtes Wetter. Ich bin aber ein positiv denkender Mensch und denke daher: wer nach Frankreich will, soll es auch ausprobieren. Es schadet nie, mal woanders zu leben.

Ich sehe Deutschland seitdem auch ganz anders. Ich würde immer noch sagen, dass es ein großes Glück ist, als Frau in Deutschland aufzuwachsen. Die Frau in Frankreich hat schon einen anderen Status. Sie ist „die Frau von Monsieur“. Ich habe zum Beispiel ein Haus gekauft. Ich. Alleine. Das war so erstmal gar nicht möglich. Wir mussten einen Ehevertrag abschliessen. Und selbst danach stand mein Mann als Erstes im Kaufvertrag, obwohl er nichts damit zu tun hatte. Ich habe mich wahnsinnig aufgeregt, aber so ist das hier. Der Ehemann steht über der Frau und auch wenn der Mann zuerst stirbt, erben die Kinder alles (auch die aus erster Ehe/ Partnerschaft) und die Frau geht leer aus. Behält nichts. Und das im 21. Jahrhundert in Europa.

4. Wie teuer ist das Leben in Frankreich im Vergleich zu Deutschland?

Soviel nimmt es sich nicht. Die Mieten in den Städten sind ähnlich hoch und der Franzose kauft sowieso eher. Mieten ist nicht so populär in Frankreich. Dafür werden Medikamente zum grössten Teil von der Krankenkasse übernommen. Selbst Verhütungsmittel wie die Pille oder die Spirale. Lebensmittel und Kosmetikartikel sind allerdings in Frankreich viel teurer.

5. Krankenversicherung, Steuern, Rentenversicherung? Wie wird das in Frankreich gehandhabt?

In Frankreich hat man fast immer eine Zusatzversicherung. Die sogenannte„Mutuelle“ übernimmt sehr viel (Osteopath-Besuche, Zahnersatz etc.) und kostet kein Vermögen. Überhaupt werden viele Kosten übernommen und der Eigenanteil ist recht gering. Steuern fallen geringer aus. Ein Jahreseinkommen von bis zu 9700 Euro ist soagar steuerfrei. Danach ist die prozentuale Staffelung in vier Stufen von 14 Prozent, über 30 und 41 Prozent, bis hin zu 45 Prozent. Es gibt es eine Wohnsteuer „taxe d´habitation“ die auch Mieter zahlen müssen.

6. Welchen geheimen Spartipp hast Du für das Leben in Frankreich entdeckt?

Ich spare nicht. Haha! Aber da Lebensmittel recht teuer sind, schaue ich jetzt tatsächlich immer die Werbebroschüren durch und kaufe danach ein. Hier gibt es auch oft zwei Produkte zum Preis von Einem oder den zweiten Artikel für die Hälfte des Preises. Zugegeben: Das ist kein wirklicher „Geheimtipp“, denn das machen hier fast alle so.

7. Welches Produkt ist in Frankreich besonders teuer und welches Produkt sehr günstig?

Kosmetikartikel wie Bodylotions oder Kajalstifte sind sehr teuer. Dafür kostet Brot fast nichts. Gerade Baguettes sind ein Hauptnahrungsmittel und man isst es immer und zu allem.

8. Hast Du einen Tipp für die Jobsuche für Einwanderer in Frankreich?

Beziehungen. Vitamin B. Das ist nicht anders als in Deutschland. Man kann sich hier allerdings recht unkompliziert selbständig machen. Nur sollte man dann einen guten Steuerberater zur Hand haben.

9. Wie sieht dein neuer Alltag in Frankreich aus? Was hat sich hier am meisten zum alten Leben verändert?

Ich weiß gar nicht, ob es an Frankreich oder am Alter liegt: Ich bin weniger gestresst! Ich denke mir häufig: „Wenn nicht heute, dann morgen“. Und wenn die Sonne scheint, dann bleibt man eben draußen im Garten sitzen oder fährt spontan am Wochenende ans Meer. Da wir ein Wochenendhaus am Atlantik haben, sind wir recht oft dort. Zudem habe ich zwei Hunde. Das war immer mein Traum, ließ sich aber mit meinem Leben in Deutschland nicht vereinbaren.

Und Mittwochs plane ich nie etwas, was mit Autofahren zu tun hat. Mittwoch Nachmittags haben die französischen Kinder nämlich schulfrei und dann ist es überall proppenvoll. Man steht mehr im Stau. Überhaupt fahre ich viel Auto. Ich wohne etwas außerhalb von Toulouse und da ist nichts fußläufig erreichbar. Es gibt teilweise nicht mal Fußwege.

Ich erinnere mich da an meine Anfangszeit, in der ich immer zu Fuß zur Arbeit ging. Da musste ich eine zeitlang an der Strasse entlang laufen. Eines Tages hielt ein Wagen neben mir und fragte, ob mein Wagen eine Panne hätte und er mir helfen könne. Ich sagte daraufhin „Vielen Dank, aber ich gehe nur zu Fuß“. Er hat mich völlig perplex angeschaut.

10. Welche Rolle spielt Geld in der Gesellschaft in Frankreich? Was würdest Du sagen?

Es ist immer schön, welches zu haben, aber man achtet hier nicht so auf Statussymbole wie in Deutschland. Ich finde das aber auch schwer zu beantworten, da ich in Deutschland in Hamburg und Berlin gewohnt habe und hier in Toulouse, was eher der Größe von Städten wie Düsseldorf ähnelt und sich anfühlt wie Lübeck. Insgesamt ist es schwer zu vergleichen und das Urteil kann in Paris auch nochmal ganz anders ausfallen.

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.