ZASTER AROUND THE WORLD

Auswandern: Was kostet das Leben in den Niederlanden?

von Michael André Ankermüller

Alexandra Johnen wollte schon lange einmal in den Niederlanden leben. Ausgerechnet im Corona-Jahr klappte es dann und so zog Alexandra mit ihrem Mann im Mai 2020 nach Amsterdam, um als PR & Communications Manager bei der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) zu arbeiten und Werbung für ihr Heimatland zu machen. Trotz Pandemie und Lockdown klappte der Umzug reibungslos, sodass sie den Sommer 2020 recht unbeschwert erlebte und neue Umgebung von Strandausflügen über Radtouren in altholländische Städtchen bis hin zu Bootstouren mit der Schaluppe durch die Grachten Amsterdams entdecken konnte.Auswandern kann Alexandra Johnen jedem empfehlen und empfindet den Perspektivwechsel, sowie den frischen Blick auf sich selbst, auf das Gastland und auch auf das Heimatland, von unschätzbaren Wert.

1. Warum bist Du in die Niederlande gegangen und was hält Dich dort?

Ein nebliger Nachmittag vor mehr als 25 Jahren. Ich sitze im Wohnzimmer einer Seniorin in Den Haag, die mit der Großfamilie ihren Geburtstag feiert. Es ist die Oma meines neuen Freundes. Es wird einer der längsten Nachmittage meines Lebens werden!

Nach ein paar Höflichkeitsfloskeln auf Deutsch wechselt die Verwandtschaft fröhlich ins Niederländische. Kurz darauf begann ich, niederländische Kinderbücher zu kaufen. Meine Liebe zu dem Mann und dem Land war ja schon da und der Ehrgeiz, die Sprache zu lernen, nunmehr geweckt.

Vom Märchen „Het lelijke jonge eentje“ (Das hässliche junge Entlein) an, folgten Stationen eines IJP-Journalistenstipendiums bei der Tageszeitung Trouw in Amsterdam, mehrere Holland-Reiseführer, die ich gemeinsam mit meinem Mann schrieb und die Stelle als Presseverantwortliche beim Niederländischen Büro für Tourismus & Convention (NBTC) in Köln. Bis ich schließlich im Mai 2020 mit dem Gatten – übrigens der Freund von damals – nach Amsterdam zog. Hier arbeite ich als PR & Communications Manager für die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT).

2. Was können die Deutschen von den Niederländern lernen? Und möglicherweise andersherum?

Die Deutschen können von den Niederländern vor allem lernen, das eigene Land besser zu verkaufen.

Niederländer sind von jeher Händler und das Selbstmarketing funktioniert auch heute noch hervorragend. Selbst wir beide, die wir das Land doch gut zu kennen glaubten, sind zuweilen überrascht, wie wenig das nach außen transportierte Bild vom liberalen, unbürokratischen und „gezelligen“ Land doch manchmal mit der Realität übereinstimmt.

Des Weiteren können sich die Deutschen von den Niederländern eine Scheibe Innovationsfreude und (ökonomischen) Wagemut abschneiden.

Die Niederländer können von den Deutschen lernen, nicht alles in Geld zu bemessen. Meist stellen sich Niederländer in Gesprächen schnell die Frage, was für sie dabei rausspringt.

Auch beim Umweltschutz ist Luft nach oben. Die Anzahl der E-Autos und Ladestationen ist zwar höher als in Deutschland, aber in den Supermärkten bekomme ich regelmäßig Schnappatmung angesichts der Tatsache, dass alles, aber wirklich alles in Plastik verpackt ist (Highlight: einzelne Möhren). Und ein Pfandsystem für Flaschen gibt es ebenfalls bislang nur rudimentär.

3. Welche 3 Tipps würdest du einem Deutschen geben, der auch in die Niederlande auswandern will?

Schaff dein Auto ab: Und zwar möglichst schon in Deutschland, da die Einfuhr eines Fahrzeugs mit deutschem Kennzeichen ein großer, bürokratischer Akt und sehr teuer ist. Insgesamt ist Autofahren in den Niederlanden recht kostspielig, was ja im Hinblick auf Umweltschutz positiv ist.

Kaufe dir ein E-Bike: Sie sind günstig, umweltfreundlich, gesund und der E-Antrieb hilft beim Strampeln gegen den Wind, der immer von vorne zu kommen scheint.

Lerne Niederländisch: Auch wenn die Niederländer meist recht gut Englisch sprechen, erschließt sich einem das Land und dessen Kultur doch viel besser, wenn man die jeweilige Landessprache spricht. Kinderbücher sorgen für den Grundwortschatz, ein Aufbaukurs schadet aber keinesfalls.

4. Wie teuer ist das Leben in den Niederlanden im Vergleich zu Deutschland?

Deutlich teurer. Man zahlt bis auf wenige Ausnahmen auf alles drauf. Vor allem in den Großstädten der randstad, wie der Ballungsraum zwischen Amsterdam und Rotterdam genannt wird, sind die Preise für Miete, Immobilien, Restaurantbesuche, Eintritte in Museen oder das Gläschen Bier im Strandcafé schon ziemlich happig.

Alltägliche Dinge im Supermarkt würde ich in einer ähnlichen Preisregion wie in der Heimat einordnen.

Der ÖPNV ist günstiger als in Deutschland und durch die OV-Chipkaart unendlich praktischer geregelt: Die aufladbare Karte gilt im ganzen Land mit einheitlichen Tarifen.

5. Krankenversicherung, Steuern, Rentenversicherung? Wie wird das in den Niederlanden gehandhabt?

Insgesamt recht ähnlich. Die Basis-Krankenversicherung ist allerdings mit etwa 120 Euro im Monat viel günstiger als in Deutschland und man kann individuell Leistungen hinzubuchen.

Das finde ich wirklich sehr gut und lebensnah geregelt, jedoch bekommt man auch weniger zurück als in Deutschland. So erfolgen alle Behandlungen zunächst über den Hausarzt, es gibt praktisch keine niedergelassenen Spezialisten und ein jährlicher Check beim Frauenarzt ist hier unbekannt.

Die Steuererklärung habe ich noch nicht gemacht, mir aber sagen lassen, dass sie weniger graue Haare verursacht als in Deutschland.

Die Rentenversicherung AOW besteht aus drei Säulen: Die erste Säule ist die Grundrente, auf die in den Niederlanden Lebende ab einem gewissen (AOW-)Alter Anspruch haben, unabhängig davon, ob sie zuvor eingezahlt haben. Wer in die Niederlande einwandert, erhält allerdings zwei Prozent Abzug für jedes Jahr, das er in einem auf 50 Jahre ausgerichteten Erwerbsleben nicht in dem Land gelebt hat. Die zweite Säule wird durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam aufgebaut, die dritte Säule sind freiwillige Leistungen zur Altersvorsorge.

6. Welchen geheimen Spartipp hast Du für das Leben in den Niederlanden entdeckt?

Alle paar Wochen nach Deutschland zum Einkaufen fahren. Für Kulturinteressierte: Die Museumkaart gewährt für 64,90 Euro den Zugang zu den meisten niederländischen Museen für ein Jahr, worunter sich auch berühmte Tempel der Kunst wie Rijksmuseum oder Van Gogh Museum befinden. Nach etwa vier Museumsbesuchen hat man den Betrag schon wieder raus.

7. Welches Produkt ist in den Niederlanden besonders teuer und welches Produkt sehr günstig?

Kosmetik und bestimmte Alkoholika sind viel teurer als in Deutschland, Blumen und Kaffee sind hingegen günstiger.

8. Hast Du einen Tipp für die Jobsuche für Einwanderer?

In den Niederlanden haben sich viele deutsche Unternehmen angesiedelt. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Niederlande, insofern würde ich mich gezielt bei solchen Unternehmen nach Stellen umsehen.

Deutsche Muttersprachler sind auch deshalb gefragt, weil immer weniger Niederländer die deutsche Sprache in der Schule lernen. Und kulturelle Brücken ins Heimatland schlagen zu können, ist sicherlich auch ein Pluspunkt, denn trotz der Ähnlichkeit der beiden Länder gibt es im Geschäftsleben doch kleine, aber feine Unterschiede.

9. Wie sieht dein neuer Alltag in den Niederlanden aus? Was hat sich hier am meisten zum alten Leben verändert?

Mein neuer Alltag unterscheidet sich nicht allzu sehr von meinem alten Leben, doch der Weg zur Arbeit ist ein anderer geworden. So fahre ich mit dem Rad entlang der Grachten und vorbei an Hausbooten. Das ist immer wieder schön. Wenn ich die Fenster öffne, höre ich zudem Möwen kreischen und nach der Arbeit steigen wir in den Zug und sind in 20 Minuten am Meer.

Insgesamt unternehmen wir hier noch mehr als früher in Köln (sofern die Pandemie dies zulässt), obwohl wir nie couch potatoes waren. Man ist ja in gewisser Weise noch Tourist, der sein neues Umfeld entdecken möchte. Wir informieren uns übrigens zudem in Medien beider Länder, um auf der Höhe zu bleiben.

10. Welche Rolle spielt Geld in der Gesellschaft in den Niederlanden? Was würdest Du sagen?

Geld spielt hier eine große Rolle. Die Niederländer sind recht kommerziell ausgerichtet und im Berufsleben wird hart um jeden Cent verhandelt. Das spiegelt sich dann auch in einem allgemein hohen Lebensstandard wider: Die einst calvinistische Gesellschaft genießt das gute Leben und zeigt ihren Wohlstand u.a. mit stilsicher dekorierten Häusern und prächtig bepflanzten Gärten.

Bargeld spielt hier übrigens praktisch keine Rolle mehr, man bezahlt auch Kleinstbeträge mit Karte. Seit Oktober 2020 habe ich kein einziges Mal mit Bargeld bezahlt und habe auch gar nichts mehr in der Tasche.

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.