JAHRHUNDERTBETRÜGER 1/5

Der 50-Milliarden-Dollar-Betrug

von Anton Kleihues

Die größten Finanzbetrüger aller Zeiten haben Milliarden und Abermilliarden veruntreut. In unserer neuen Serie beleuchten wir ihre Geschichten, ihre Masche und ihre Opfer.

Am 4. Februar 2009 veröffentlichte der U.S. Bankruptcy Court in Manhattan eine 162-seitige Liste mit mindestens 13.500 verschiedenen Konten, die bei Bernard L. Madoffs investiert hatten. Zu den Kunden gehörten Banken, Hedgefonds, Wohltätigkeitsorganisationen, Universitäten und wohlhabende Einzelpersonen. Die Behörden sprachen vom größten Anlagebetrug und gingen von einem Schaden in Höhe von 50 bis 65 Milliarden US-Dollar aus. Der Hauptschuldige, Bernie Madoff, wurde im Prozess zu der Höchststrafe von 150 Jahren im Gefängnis verurteilt. Bevor er in den Knast ging, richtete er Madoff seine letzten Worte an alle Geschädigten:

„Ich habe ein Vermächtnis der Schande hinterlassen, wie einige Geschädigte gegenüber meiner Familie und meinen Enkeln betont haben. Das ist etwas, womit ich für den Rest meines Lebens werde leben müssen. Es tut mir leid, obwohl ich weiß, dass das Euch nichts bringt.

Rückblick: Was war geschehen?

1999 hatte der Finanzanalyst Harry Markopolos der US-Aufsichtsbehörde für die Kontrolle des Wertpapierhandels (SEC) mitgeteilt, dass er es für rechtlich und mathematisch unmöglich hielt, dass Bernard L. Madoff die von ihm behaupteten Gewinne wirklich erziele. Laut Markopolos brauchte er vier Minuten, um zu dem Schluss zu kommen, dass etwas mit den Zahlen von Madoff nicht stimmen konnte. Doch die SEC ignorierte den Mann in 1999 genauso wie 2001, 2005 und 2007, als er weitere Beweise vorlegte. Obwohl sich die Vermögensverwaltung von Madoff zu einem Multimilliarden-Dollar-Geschäft entwickelte, handelte keines der großen Geldhäuser direkt mit ihm. Sie hatten ebenfalls Zweifel an der Echtheit seiner Zahlen.

Der Strippenzieher im größten Finanzbetrug aller Zeiten wurde 1938 in New York geboren und wuchs in vergleichsweise einfachen Verhältnissen auf. Nachdem er 1960 seinen Abschluss in Politikwissenschaft in New York gemacht hatte, gründete er zusammen mit seiner Frau Ruth Investment Securities. Madoff pflegte enge Freundschaften mit wohlhabenden, einflussreichen Geschäftsleuten in New York City und Palm Beach, Florida. Sein Geschäft lief so: Er zahlte ihnen stattliche Renditen und nutzte ihre positiven Empfehlungen, um noch mehr Investoren zu gewinnen. Seine augenscheinliche Erfolgsgeschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer und schnell kamen neue Kunden auf ihn zu. Madoff nahm aber nicht jeden in seinen Fonds auf: Das Schlitzohr nutzte eine gewisse Exklusivität, um große, geldgierige Investoren anzulocken. Es wurde eine Art Prestigezeichen, bei Madoff investieren zu dürfen. Wie Ermittler später feststellten, entstand die Schuldenpyramide Madoffs bereits in den frühen 1980er Jahren.

Es war eine Art Schneeballsystem, mit dem der Betrüger seinen Berg der Lügen finanzierte. Das Ganze funktionierte wie folgt: Wenn neue Investoren ihr Geld in Madoffs Firma pumpten, nutzte er es zur Finanzierung von Auszahlungen an bestehende Investoren sowie Freunde und Familie. Natürlich war das System zum Scheitern verurteilt. Als Markopolos 1999 auf die Ungereimtheiten hinwies, konnte sich aber noch niemand vorstellen, dass ein solcher Betrug vorlag. Im Prozess wurden Aufsichtsbehörden gerügt, weil sie so lange nicht auf den Big Player aufmerksam geworden waren und die Hinweise von Markopolos einfach ignoriert hatten.

Ziemlich genau vor 10 Jahren, um Thanksgiving herum, wusste Madoff, dass er am Ende war. Am 4. Dezember erzählte er Frank DiPascali, der jahrelang als seine rechte Hand agiert hatte, dass er erledigt sei. Er wies ihn an, das verbleibende Geld auf dem Chase-Konto zu verwenden, um die Konten von Verwandten und bevorzugten Investoren auszuzahlen. Kurz darauf konfrontierten ihn seine Söhne mit der Frage, wie die Firma Boni auszahlen könne, wenn sie ihre Investoren nicht bezahlen könne. Daraufhin bat Madoff seine Söhne, ihm in seine Wohnung zu folgen. Dort gab er zu „fertig“ zu sein und, dass alles „eine große Lüge“ sei. Seine Söhne meldeten ihn daraufhin den Behörden. Am nächsten Tag wurde Madoff verhaftet. Im März 2009 bekannte sich Madoff schuldig des Betrugs, der Geldwäsche und anderen Verbrechen. Die Tausenden von Menschen und zahlreichen gemeinnützigen Stiftungen, die direkt oder indirekt bei Madoff investiert hatten, verbrachten die ersten Monate des Jahres 2009 damit, ihre oft enormen finanziellen Verluste zu bewerten. US-Bundesermittler verfolgten weitere Verdächtige und Mitwisser, darunter auch Mitglieder der Madoff-Familie. Schätzungen der Verluste reichen von 50 Milliarden bis 65 Milliarden Dollar. Im Juni 2009 gab der Bundesrichter Madoff die Höchststrafe von 150 Jahren Gefängnis.

ein Artikel von
Anton Kleihues
Anton studiert Politik in Berlin und liebt es, zu schreiben. Als ZASTER-Redakteur versucht er dabei immer neue, aktuelle und relevante Themen zu behandeln. Am liebsten berichtet er über Politik und Sport.